Nacht
Es ist noch dunkel. Verschlafen öffne ich die Augen und lausche. Ich lausche dem Ruf des Muezzin bzw. der Muezzine. Es ist gegen 5 Uhr in der Frühe und der Aufruf zum Gebet erklingt durch die Gassen Marrakesch. Erst in einzelne Töne, ehe immer mehr Männerstimmen in den Chor einfallen. Zu gerne würde ich verstehen können, was sie sagen, verstehen was die Koranverse bedeuten, die sie vorlesen. So befremdlich es die ersten Male für mich war, so angenehm finde ich diesmal wieder in den Schlaf. Irgendwie beruhigt es mich zu wissen, dass die Stadt dort draußen aufwacht.
Morgen
Mein zweites Aufwachen wird durch das Geschrei der Störche begleitet. Schnell reiße ich die Tür auf und sehe im Rechteck der offenen Decke mindestens 10 von diesen anmutigen Tieren über dem Stadtviertel kreisen. Ich muss an den Aberglaube denken, in dem es heißt, dass man ein Kind erwartet, sobald ein Storch über einen fliegt. Hoffentlich bewahrheitet sich das nicht, sonst habe ich alle Hände voll zu tun!
“Good Morning”, werde ich von dem Nachtwächter begrüßt. Wie von magischer Hand steht auch schon das Frühstück auf dem reich verzierten Tisch. Der Geruch von frischem Kaffee liegt in der Luft. Ich weiß nicht was es ist, aber er schmeckt hier einfach viel aromatischer als zu Hause. Neben dem Kaffee und frischen O-Saft gibt es noch luftige Pfannkuchen und die beste Marmelade der Welt. “Bonjour Madame, Ca va?” “Ca va bien, et toi?” Jeden Morgen begrüßt mich die Köchin auf die selbe Art und Weise und jedes mal antworte ich gleich. Dafür reicht mein Französisch noch.
Vormittag
Die Tür fällt hinter mir ins Schloss. Nun verrät nur noch das Klingelschild und die Kamera in der Ecke, welche Oase sich hinter der Tür verbirgt. Ich will die kühleren Morgenstunden nutzen, denn in Marrakesch kann es im Sommer empfindlich warm werden. Immer dicht an der Wand entlang führt mich mein Weg. Zunächst springe ich den Mofas und Fahrräder noch panisch aus dem Weg, nun bin ich schon gelassener. Irgendwie geht immer alles gut! Und irgendwie führen alle Wege in der Medina zum Djeema El-Fna. Dieser ist aber nicht mein Hauptziel, er dient nur der Orientierung. Weiß ich wo der “Platz der Gaukler” ist, finde ich alles in Marrakesch ( das glaube ich zumindest).
Von hier aus verschlägt es mich tief in die Souks, ehe ich einen Markt entdecke. Allerhand Waren werden angeboten. Kleine Eselchen warten geduldig darauf, das es weiter geht. Ich nehme eine Orange in der Hand und rieche dran, was ein Duft! Der alte Mann hinter der Auslage, hat sich mit einem gefalteten Stück Pappe auf dem Kopf gegen die Sonne geschützt. Auch ich ziehe weiter. Es wird heiß und die ständige Reizüberflutung macht müde!
Mittag
Doch getäuscht und ich dachte ich kenne mich mittlerweile in der Medina aus. Obwohl ich gestern mit Guide schon mal am Maison de la Photography vorbei gegangen bin, finde ich es nicht wieder. Irgendwo in der Nähe der Gerbereien muss es sein. Das ich von allen Seiten angesprochen werde, ob ich nicht die Gerbereien sehen wollen würde, macht es auch nicht besser. Enttäuscht mache ich mich auf den Rückweg und stehe plötzlich doch vor dem Eingang des Museums. Ich habe eine wichtige Lektion in Sachen Marrakesch gelernt, einfach treiben lassen.
Die Kühle des Riads empfängt mich. Am Eingang zahle ich den Eintritt und erhalte im Gegenzug die Eintrittskarte und mit ihr die Möglichkeit nun immer wieder gratis zurück zu kommen. Nach einer kurzen Einführung streife ich durch die Gänge und tauche ein in ein Marrakesch das so fremd und gleichzeitig auch so vertraut ist. Ich hangle mich von Bild zu Bild und sauge alles stauend in mir auf. Schließlich gelange ich auf der Dachterrasse an und es verschlägt mir den Atem. Was für eine Aussicht!
Ich kann in die Werkstätte der Schreiner schauen, sehe einen Mann, der Wäsche aufhängt und von ganz unten klingen süße Melodien von einem Straßenmusiker zu mir hoch. Das alles wird nur unterbrochen von dem Geknatter der Mopeds, die ab und zu durch die Gassen flitzen.
Plötzlich knurrt mein Magen. Ich gehe die Wendeltreppe hinunter und bestelle mir einen frischen Saft und eine Tajine. Nach kurzer Zeit wird beides zu mir hoch gebracht. Selten habe ich in Marrakesch so gut gespeist und so eine Aussicht genossen. Der warme Wind weht über meine Arme und ich genieße einfach nur den Moment.
Nachmittag
Es wird heiß in Marrakeschs Gassen. Jeder der kann, macht nun Mittagspause und verzieht sich in den kühlen Schatten der Gebäude. Auch ich bin wieder im Riad. Mit frischem Minztee und selbst gebackenen Keksen schreibe ich Postkarte und döse vor mich hin. Immer in Begleitung des emsig plätschernden Springbrunnens.
Abend
Sobald die Sonne unter geht, erwacht Marrakesch so richtig. Die Gassen sind voll, die Händler bauen ihre Auslagen auf und die Menschen pilgern zum Djeema El-Fna. Ein kurzer Regenschauer hat zwar keine Abkühlung gebracht, dafür riecht es nun noch intensiver in der Stadt. Ich habe mir mein Tuch über die Schultern geschlungen. Ein kugelrunder Händler mit schelmisch aufblitzenden Augen fragt, was ich dafür bezahlt habe. “30 Dirham”, erzähle ich ihm. Das kann er nicht glauben und macht mir sofort ein Angebot für 2 Tücher zum selben Preis. Ich frage ihn was ich mit so vielen Tüchern machen soll und da muss auch er lachen.
Ich ziehe weiter, immer in Richtung Djeema El Fna. Schon bevor ich den Platz sehe, kann ich ihn riechen und hören. Es erklingt Flötenmusik, ich höre Trommler und Gesang. Mit Aufziehen der Nacht öffnen die Garküchen ihre Tore. Ich setze mich an den Stand von Hassan und bestelle von der Karte in arabischer Schrift. So gut wie es hier riecht, wird es auch schon schmecken. Ich bekomme kleine Würstchen und frisches Brot. Eine wohltat für den Gaumen und eine wahre Geschmacksexplosion!
Nacht
Der Mond geht über den Bergen am Horizont auf. Was für ein unglaubliches Schauspiel und was für ein gelungenes Ende für einen weiteren Tag in 1001 Nacht. Ich denke über mich und Marrakesch nach. Irgendwas hat diese Stadt an sich, die mich verzaubert. Egal wie häufig ich durch die Souks laufe, Minztee trinke, mit Händlern scherze oder Esel ausweichen muss, ich werde nicht müde davon. Mit dem Kopf voller Bilder und dem Herzen voller Wärme, gehe ich schlafen und freue mich auf die nächsten 24 Stunden in Marrakesch.
Marion von Escape from Reality hat zur Blogparade “Marrakesch – Reisetipps und Geschichten aus 1001 Nacht” aufgerufen und ich habe nur zu gerne mitgemacht! Marokko und Marrakesch im speziellen sind eben mein Lieblingsthema momentan. Marion fliegt im Januar selber nach Marrakesch und danach hat sie bestimmt viele tolle Tipps und Geschichten auf Lager. Ich freue mich schon drauf und wünsche ihr ganz viel Spaß in dieser zauberhaften Stadt!
Toller Text und vor allem tolle Fotos!
Danke dir! Hatte ja auch einen tollen Fotografen dabei :P
Mit Genuss habe ich deinen Artikel gesehen.
Bloss eins : wir sagen ” Ca va bien, et toi?”
Ich fand deinen artikel hoechst interessant zu lesen, du bist scharf auf Marrakeck, das spuert man!
Liebe Odile,
recht hast du! Der französisch Unterricht ist einfach viel zu lange her…
Wird gleich geändert :)
Danke für dein liebes Kommentar.
Liebe Grüße,
Lynn
Danke für die tollen Eindrücke :) Ein toller Bericht mit beeindruckenden Bildern, die das Marrakesch Leben gut widerspiegeln.
Danke dir! :)
Hallo Lynn,
das ist ein sehr schön geschriebener Beitrag. Mir gefällt dein Schreibstil, er hat etwas tagträumerisches an sich und passt auch bestens zu einer Person, welche sich gern treiben lässt.
Ja, Marokko steht auch bei mir schon länger auf der Liste und vor allem natürlich Marrakesch. Ich möchte dort auch die Märkte sehen, dabei die orientalischen Gerüche wahrnehmen und auch mal mit einem Verkäufer den Preis hartnäckig runterhandeln.
Weiter so!
Lieber Paul,
Vielen lieben Dank für deine schönen Worte. Marokko ist genau richtig, um mit allen Sinnen bewusst zu reisen.
Liebe Grüße,
Lynn
Ich bin begeistert! Ich könnte sofort die Koffer packen. Du hast die Stimmung toll eingefangen…
Vielen Dank! Ich wäre sofort wieder dabei.
Liebe Grüße,
Lynn
Marrakesch zählt ja zu den drei roten Städten – Bologna, Marrakesch und Toulouse. Toulouse ist die einzige, wo ich noch nicht war. Bologna zählt zu meinen 5 Lieblingsstädten. Jedenfalls eines ist klar, das Teatro du Capitole Toulouse bringt bessere Wagner-Inszenierungen als die Staatsoper Hannover.