Reise ohne Wiederkehr – ein Naturforscher im Senegal

Hand, die das Buch Reise ohne Wiederkehr von David Diop gegen eine Wand hält.

Reise ohne Wiederkehr oder die geheimen Hefte des Michel Adanson
David Diop

Werbung, da Rezensionsxemplar

Ich glaubte nicht an diese Kindereien. Aber sie zeigten mir, dass Menschen überall dort, wo sie ihre Macht erhalten wollen, Mittel und Wege finden, den Untergebenen eine heilige Furcht einzuflößen. Hinsichtlich ihrer Macht verhält sich der verbreitete Schrecken proportional zu ihrer Angst, die Macht zu verlieren.

Reise ohne Wiederkehr, Seite 90

Darum gehts in Reise ohne Wiederkehr

Als erster weiße Naturforscher reist der Botaniker Michel Adanson in den Senegal. Er verliebt sich in Land und Leute und erlebt seinen Aufenthalt als intensivste Zeit in seinem Leben. Nach seinem Tod hinterlässt er seiner Tochter Aglaia nicht nur allerhand Kuriositäten sondern sie findet auch seine versteckten Notizhefte. In diesen berichtet er seiner Tochter von der mysteriösen Maram, in der sich der junge Mann unsterblich verliebt hatte und dessen kurzes Aufeinandertreffen tragisch enden sollte.

Zunächst hat Adansons Reise in den Senegal das Ziel eine umfassende Enzyklopädie der afrikanischen Fauna zu erstellen. Als er allerdings von einer Frau erfährt, die der Sklaverei entkommen sein soll, macht er sich auf die Suche nach ihr. Er findet die Frau in Gestalt von Maram, die als Heilerin in einem Dorf lebt. Sofort verliebt sich Adanson in Maram und sieht gleichzeitig sein gesamtes, eurozentristisches Weltbild hinterfragt. Schließlich wird Maram von den französischen Sklavenhändler*innen doch entdeckt und Adanson begreift mit Schrecken, dass er sie nicht vor ihrem Schicksal retten kann.

„Reise ohne Wiederkehr“ ist ein interessanter Roman über die Schrecken des Kolonialismus, der sich nicht scheut in die Abgründe zu blicken. Was die Lektüre so besonders macht ist einerseits, dass David Diop als französisch-senegalesischer Schriftsteller eine ganz eigene Stimme findet und sowohl europäische als auch afrikanische Akzente einfließen lassen kann. Andererseits handelt es sich bei „Reise ohne Wiederkehr“ um eine wahre Geschichte, die lediglich durch die literarischen Freiheiten des Autors ausgeschmückt worden sind.

Trotz dieser Aspekte hatte ich meine Schwierigkeiten mit „Reise ohne Wiederkehr“. Ich finde die deutsche Übersetzung hat es sich zu leicht gemacht, dass „N-Wort“ im Text beizubehalten und dies damit zu rechtfertigen, dass der Roman im 18. Jahrhundert spielt und der Begriff „nègre“ eine andere Bedeutung hatte, als heutzutage. Dieses Argument habe ich schon zu oft gehört und sehe darin nach wie vor keine Ermächtigung, dass Wort weiter zu nutzen.

Hinzukommt, dass David Diop im Original zumeist in einem anderen kulturellen und sozialen Kontext gelesen wird, als seine deutsche Übersetzung für den deutschen Markt. Wörter behalten nun mal nicht die gleiche Bedeutung, wenn man sie übersetzt, sondern müssen auch in ihrem jeweiligen Kontext gesehen werden und für mich ist das „N-Wort“ ein absolutes No-Go. Für viele Menschen ist es zutiefst belastend und triggernd, immer wieder in einem Text damit konfrontiert zu werden und somit auch ein Ausschlusskriterium, um „Reise ohne Wiederkehr“ überhaupt zu lesen.

Abgesehen von der sprachlichen Kritik war mir „Reise ohne Wiederkehr“ auch nicht rund genug. Zunächst handelt der Roman von Aglaia, die die Notizhefte ihres Vaters findet. Sobald sie in diese eintaucht, begleiten wir als Leser*innen Michel Adanson auf seiner Reise durch den Senegal. Hier ist der Roman recht kurzweilig und nach einiger Zeit bin ich in den Flow gekommen. Gerade die botanischen und kulturellen Beschreibungen fand ich interessant. Das der Bogen zurück zu Aglaia geschlagen wird und wir erfahren, was sie von den Notizen ihres Vaters hält, darauf wartete ich allerdings vergeblich.

Zu guter Letzt habe ich mich gefragt, was Maram wohl zu diesem Roman und insgesamt zu den Notizen von Adanson sagen würde. Ist die unsterbliche Liebe des Botanikers nur einseitig? Ist sie vielleicht die exotisch-kolonial geprägte Fantasie eines Mannes und projiziert er möglicherweise eine unbestimmte Sehnsucht nach Freiheit oder anderes auf Maram? Marams Stimme wird für immer ungehört bleiben und im Roman spricht sie weiterhin durch einen Mann zu uns Leser*innen.

Insgesamt war die Lektüre von „Reise ohne Wiederkehr“ nicht schlecht, aber eben auch nicht herausragend. Vielleicht habe ich von David Diop, immerhin Preisträger des „International Brooker Prize 2021“, mehr erwartet oder ich habe mir vom Thema mehr erhofft. Der durch den Schmerz verursachten Kolonialismus wird zwar deutlich und doch ist der Roman für mich einfach nicht rund. Auch die viel zitierte Liebesgeschichte hat mich nicht wirklich berührt.

Vielleicht erging es dir ja ähnlich oder du hast eine ganz andere Meinung. Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen. Ich bin gespannt.

REISE OHNE WIEDERKEHR

Reise ohne Wiederkehr oder die geheimen Hefte des Michel Adanson
David Diop

Übersetzung durch Andreas Jandl
Gebunden mit Schutzumschlag
238 Seiten | ISBN:  978-3351039615
22€ [D] über Amazon (Affiliate Link)


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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