Auf Reisen haben wir häufig den Anspruch, einen authentischen Einblick in die Lebensgewohnheiten der Menschen zu bekommen. Dies ist oftmals gar nicht so einfach, wirken viele Situationen doch eher erzwungen oder wirken inszeniert. In Chingalire, einem Dorf knapp eine Stunde von Malawis Hauptstadt Lilongwe entfernt, ist so ein authentischer Einblick möglich. Chief Ben Michael Mankhamba hat mit dem Chingalire Rural Homestay eine tolle Begegnungsstädte geschaffen, die Reisende einlädt am Alltag der Menschen teilzunehmen.
Willkommen im Chingalire Rural Homestay
Bis vor kurzer Zeit war die Straße, die Lilongwe mit Chingalire verbindet nicht asphaltiert. Wofür man heute eine Stunde braucht, waren es früher eher zwei oder drei. Interessanterweise verschwimmen so die Dimensionen von Zeit und Raum, wobei Lilongwe und Chingalire eigentlich an Ort und Stelle geblieben sind.
Auf das Chingalire Rural Homestay macht ein Schild am Straßenrand aufmerksam, welches die Reisenden die letzten Meter Richtung Dorf lotst. Hier wird es dann doch noch etwas holpriger, denn die abgehende Straße besteht nun mehr aus festgefahrener Erde. Unsere Reisegruppe fährt vorbei an Papaya-Bäumen und Feldern, auf denen hier und da vereinzelt noch Menschen arbeiten.
Es ist später Nachmittag als wir im Dorf von Chief Ben Michael Makhamba ankommen und wir werden freudig begrüßt. Durch vorausgegangene Besuche sind aus Fremden bereits vereinzelt Freunde geworden und so lassen es sich die Frauen des Dorfes nicht nehmen uns mit Gesang zu begrüßen.
Was dann auf die nächsten 24 Stunden folgt, ist an Gastfreundschaft kaum zu überbieten!
Willkommen im Warmen Herz Afrikas
Tanz, Gesang und Herzlichkeit
In Malawi sind große Städte eher die Ausnahme als die Regel und so findet das meiste Leben in den Dörfern statt. Zu einem Besuch im „Warmen Herz Afrikas“ gehört es für mich deshalb dazu, zumindest einen kleinen Einblick in den Alltag der Bewohner*innen zu bekommen.
Da wir mit einer großen Reisegruppe kommen, finden nicht alle Platz in den kleinen Rundhütten, die normalerweise für die Gäste bereitstehen. Diese sind mit dem nötigsten eingerichtet und mit Liebe zum Detail gestaltet. Zwar haben sie keine eigenen Toiletten, das Waschhaus ist aber nicht weit entfernt und morgens wird warmes Wasser bereitgestellt.
Bis dato war mir tatsächlich nicht bewusst, wie angenehm eine Eimerdusche sein kann. Wenn man erst einmal die perfekte Mischung aus heißem und warmen Wasser raushat, ist es mehr als erfrischend sich den Staub vom Körper zu waschen.
Zurück aber zum Rahmenprogramm, denn da wurde uns einiges geboten. Nach einem üppigen Lunch wurden wir zur kleinen Bühne gebeten, wo noch mehr Gesang und Tanz auf uns wartete, ebenso ein Theaterstück.
Für mich war es eine ganz neue Erfahrung, dies einfach genießen zu können. Oftmals finde ich mich in Situationen wieder, wo ich dargebotenes eher als unangenehm empfinde oder damit beschäftigt bin zu hoffen, dass ich nicht gleich singen oder tanzen muss.
Zum Programm gehörte im Anschluss auch eine kleine Chichewa Stunde. Zwar war unsere Lehrerin großartig, ganz leicht fiel mir die fremdartige Sprache trotzdem nicht. Zum Abschluss kam dann noch ein weiblicher Chief aus dem Nachbardorf, die uns Rede und Antwort stand.
Eine mehr als interessante Begegnung!
Ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte
Tatsächlich sprechen nicht viele Menschen in Malawi Englisch, sondern vorrangig Chichewa und andere lokale Sprachen. Schnell stellt sich allerdings heraus, es braucht nicht immer eine gemeinsame Sprache, um sich sympathisch sein zu können.
Natürlich übersetzt uns Ben Michael Mankhamba und seine Familie einiges, aber durch Handzeichen und Gesten, kommen wir auch mit den anderen in einen Austausch. Vor allem der spontane Tanz- und Spielkreis mit den Kindern löst auf beiden Seiten Begeisterungsstürme aus.
Es ist nicht alles rosig
Natürlich ist der Alltag der Menschen aber nicht so locker und leicht, wie es sich bei diesen Worten anhören mag. Die Frauen erzählen von alkoholabhängigen Männern, die nicht selten handgreiflich werden. Und beim Besuch einer Schule mit schlappen 300 Kindern und ca. 10 Lehrkräften wird einem deutlich vor Augen gehalten, welches Privileg doch unsere Schulbidlung in Deutschland ist.
Ebenfalls ist es nicht einfach sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Landwirtschaft reicht in den meisten Fällen gerade so aus, die eigene Familie zu ernähren. Falls es allerdings mal zu einer Dürre oder Überschwemmung kommen sollte, gibt es kaum bis keine (monetären) Reserven.
Aus diesem Grund hat Ben Michael Mankhamba das Chingalire Rural Homestay gegründet. Mit dem Geld was in die Community kommt wurde bereits eine Gesundheitsstation für unter 5-jährige gegründet, denn die Säuglingssterblichkeitsrate ist in Malawi extrem hoch! Das nächste Ziel ist ein Gesundheitszentrum für die Region zu bauen, denn das nächste Krankenhaus ist weit entfernt. Genauso handelt es sich aber auch um ein Kulturzentrum in der Region und einen geschützten Raum, um sich auszutauschen.
Aber natürlich geht es auch um den Austausch. Reisen soll in meinen Augen den Horizont erweitern und der Austausch mit anderen Lebenssituationen kann dahingehend sensibilisieren, wie wir unser Leben gestalten. Genauso werden die Frauen und das ganze Dorf zu einem Vorbild in der Region und vielleicht sogar zu einem kleinen Vorreiter im Hinblick darauf, ein Einkommen zu schaffen. Es geht darum das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen und die Handlungsvollmacht zu bekommen. Das ist nicht einfach, aber das Chingalire Rural Homestay zeigt das es möglich ist.
Mehr Informationen
Wenn ich dir nun auch Lust gemacht habe nach Chingalire zu fahren, findest du hier auf der Website vom Rural Homestay (Link) alle nötigen Informationen.
Mehr Informationen – auch zu Dos und Donts im Dorf – findest du in meinem Artikel zu allgemeinen Reiseinformationen zu Malawi (Link).
Liebe Lynn,
das ist ein kleines Abenteuer. Homestay finde ich sehr interessant! Auf einer Reise auch mit den Menschen zusammenzukommen und einen kleinen Einblick in ihr Leben zu erhalten würde mir gefallen. Ich will nicht nur die Sehenswürdigkeiten eines Landes abklappern.
Auf den meisten organisierten Rundreisen ist das oft schwierig. Toll, dass das bei Euch dabei war. In meiner Jugend habe ich mehrmals Schüleraustausch in Frankreich gemacht. Das ist jetzt nicht Malawi, aber so ähnlich stelle ich mir Homestay vor. Vielleicht sollte ich das mal wieder machen. Aber dann muss ich alleine fahren, mein Mann will da wohl nicht mit.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
danke dir für dein Kommentar. In der Tat, das war wirklich ein kleines Abenteuer und ein ganz besonderes Erlebnis.
Auf Reisen ist es mir immer wichtig, mit der lokalen Bevölkerung in Kontakt zu kommen und vielleicht auch ein bisschen an ihrem Alltag teilzunehmen. Im Grund ist es dann ja auch „egal“, ob Frankreich oder Malawi. In beiden Fällen darf man mehr in das Land eintauchen und bekommt einen Blick hinter die Kulissen.
Ich glaube das schöne ist auch, dass man auch alleine in ein Homestay gehen kann. Es ist weniger anonym als ein Hotel, bietet aber gleichzeitig auch die Möglichkeit sich zurück zuziehen, wenn einem danach ist.
Liebe Grüße
Lynn
Liebe Lynn,
ein schöner Beitrag. Ich muss sagen, dass ich deine Bedenken teile bzw. von meiner Zeit in Namibia von vielen inszenierten Begegnungen zu den Himba, jenem Nomadenvolk im Kaokoveld gehört habe. Bis heute war ich noch nicht da, weil mich die „Touranbieter“ abgeschreckt haben. Zur damaligen Zeit war ich auch auf der Suche nach einem Homestay, der von der Community organisiert wird, konnte aber nichts finden.
Um so schöner deshalb deinen Beitrag über Ben Michael Mankhamba, der das Chingalire Rural Homestay gegründet hat, zu lesen. Ich weiß zwar noch nicht, wann ich wieder nach Malawi komme (ich wünschte schon bald : ), werde es nach deiner Erfahrung aber auf jeden Fall weiterempfehlen.
Liebe Grüße,
Antje
Liebe Antje,
danke dir und schön das du meine Gefühle teilst. Mir geht es ebenfalls ähnlich wie dir. Ich würde gerne mehr in Homestays wohnen, finde es aber manchmal auch schwer etwas zu finden. Vielleicht ist Couchsurfing eine Alternative?
Ich würde auch sehr gerne nochmal nach Malawi. Das kleine Land hat sich nach und nach in mein Herz geschlichen und daran sind sicherlich auch die lieben Menschen nicht ganz unschuldig.
Liebe Grüße,
Lynn