Rezension
Wir Gotteskinder
Werbung, da Rezensionsexemplar
Selbst wenn ich nicht ihre Schönheit geerbt hatte, begriff ich, was sie nicht begriff, dass du nämlich, um besser als sie zu sein, ihnen so vollkommen gleichen musstest, dass sie dein Anderssein nicht mehr wahrnahmen.
Wir Gotteskinder, Seite 15
Ich weiß nicht, ob es von Anfang an da war, dieses Wissen, dass ich nie einfach nur ich war, sondern ein Ich, das sowohl in mir als auch außerhalb von mir war und das alles beobachtete und bezeugte, was ich tat und was um mich herum war.
Zugegeben, ein wenig habe ich mich vor der Rezension von „Wir Gotteskinder“ gedrückt, denn mir fiel nicht ein, wie ich mit eigenen Worten die Sprachgewalt von Nana Oforiatta Ayim zusammenfassen sollte. Fangen wir zunächst mit der Handlung an, denn dies lässt sich noch leichter wiedergeben.
Maya Mensah wächst in Deutschland auf, als Kind zweier ghanaischer Eltern. Diese wurden ins Ausland geschickt, um eine gute Ausbildung zu genießen und Ghana nach dem Kolonialismus wieder aufbauen zu können. Damit könnte man wir „Wir Gotteskinder“ als klassische Einwanderer*innengeschichte abtun. Denn Maya und ihren Eltern sind nicht nur täglichen Rassismen ausgesetzt, sondern drohen auch an den Herausforderungen der Migration zu zerbrechen.
Als Kojo, ein Cousin aus Ghana, zur Familie zieht, ist das für Maja ein großes Glück. Endlich kann sie den Alltag mit einem Vertrauten teilen. Denn die beiden stammen von einer ghanaischen Königsfamilie ab, doch wenn Maja dies erzählt, will ihr keiner Glauben. Zusammen versuchen sie als Vermittler*innen zwischen ihren Welten zu fungieren. Denn Kojo öffnet Maja mehr und mehr den Blick für Ghana, die Seele des Landes, die nach der Kolonialzeit wieder zusammenwachsen muss und auch für ihre eigenen entwurzelten Eltern.
„Wir Gotteskinder“ ist dennoch mehr als eine Einwanderer*innengeschichte. Vielleicht muss man den Roman auch gar nicht in eine Schublade stecken, denn er ist gleichermaßen ein Coming of Age Roman, behandelt die über den Kolonialismus verknüpften Historien von Europa und Afrika und wirft eine Blick auf Familien, die an Umbruchsituationen zu brechen drohen.
Diesen Facettenreichtum macht Nana Oforiatta Ayims grandioser Schreibstil möglich. Ihre Sätze sind zum Teil so gut, dass ich sie mehrfach gelesen habe, um sie in all ihren Bedeutungen zu erfassen. Das macht „Wir Gotteskinder“ sehr lebendig und greifbar. Gerade die ersten hundert Seiten habe ich als Stark empfunden und der in anderen Rezensionen hergestellte Bezug zu Weltliteratur, kann ich nur teilen.
„Wir Gotteskinder“ spielt sowohl in Deutschland als auch Großbritannien und Ghana. Wie unterschiedlich die jeweiligen Gesellschaften sind und was sie gleichermaßen verbindet, stellt Ayim beinahe nebenher dar. Dadurch wird der Erzählfluss nie gestört, obwohl man gleichzeitig noch so einiges lernen kann.
Zum Ende hin hatte ich leider einige Schwierigkeiten, dem Roman zu folgen. Ich hatte das Gefühl, hier hätte ich mehr über Ghanas Geschichte und Gesellschaft wissen müssen. Gerade das letzte Kapitel hat mich verwirrt. Vielleicht ist das aber auch der Clou an „Wir Gotteskinder“. Ähnlich wie Menschen die nach Deutschland kommen vielleicht zunächst vor Rätseln stehen, geht es mir mit Ghana. Erst durch diese Umdrehung wird das Verständnis für die Situation der anderen größer.
WIR GOTTESKINDER
Wir Gotteskinder
Nana Oforiatta Ayim
Übersetzung Reinhild Böhnke
272 Seiten | ISBN: 978-3328601463
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Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.