Die Propheten

Hand hält das Buch Die Propheten von Robert Jones Jr. gegen eine hellblaue Wand

In „Die Propheten“ gibt Robert Jones Jr. den durch die Sklaverei entmenschlichten ihre Stimme zurück und erzählt eindrücklich, von den Schrecken dieser Zeit. Inhaltlich geht es um Isaiah und Samuel, die sich als Kinder auf einer Baumwollplantage in Mississippi kennenlernen. Beide kennen ihre Eltern nicht und finden Trost in der Gesellschaft des jeweils anderen. Je älter sie werden, desto inniger wird die Liebe zwischen den Beiden, die auf der Plantage nicht nur auf wohlwollen trifft, sondern gegen sie verwendet wird.

Die Propheten
Robert Jones Jr.

Werbung, da Rezensionsexemplar

Nach all den gierigen und abweisenden Küsten, an die sie es verschlagen hatte, besaß Sarah die Gabe der Beobachtung. Vor dem Hintergrund untergehender Sonnen und schwül flimmernder, nach Geißblatt duftender Luft sah sie, wie Samuel sich abwandte, wenn Isaiah sich ihm zuwandte. Sah die Axt in Samuels Hand, den Eimer in Isaiahs. Isaiah, der die Kühe melkte und Samuel, der die Schweine schlachtete (…). Beides war nicht perfekt, hatte aber, wie sie wusste, seine Berechtigung. Man klammerte sich eben an das Leben, ob mit Balsam oder mit dem Schwert

Die Propheten, Seite 167

Darum gehts in Die Propheten

Noch als Kleinkind wird Isaiah seinen Eltern entrissen und vom Besitzer einer Baumwollplantage in Mississippi gekauft. Dort lernt er den in etwas gleichaltrigen Samuel kennen, der seine Eltern ebenfalls nicht kennt. Beide finden Halt in dem Stall bei den Tieren, wo sie fortan arbeiten und leben müssen, und auch beieinander. Es entspannt sich eine Liebesgeschichte um die heranwachsenden Männer, die von den Bewohner*innen auf der Plantage unterschiedliche aufgenommen werden. Irgendwann müssen die beiden die folgenschwere Entscheidung treffen, ob sie dem Leben als Versklavte und Liebende standhalten können oder sich auf die gefährliche Flucht machen wollen.

„Die Propheten“ hat mich sehr beeindruckt. Der Schreibstil von Robert Jones Jr. ist nah an den Charakteren dran und macht die Lektüre trotz den mehr als 500 Seiten zu einem echten Pageturner. Mich hat zunächst überrascht, dass nicht alles aus der Perspektive von Isaiah und Samuel erzählt wird, sondern auch der Plantagenbesitzer, sein Sohn und andere Versklavte zu Wort kommen. Dies macht „Die Propheten“ für mich so eindrücklich, vielschichtig und trägt dazu bei, der Entmenschlichung durch die Sklaverei umzukehren. Als Leserin bekommt man ein Gespür dafür, was für unterschiedliche Menschen mit ihren ganz eigenen Vorstellungen vom Leben, durch diese grausame Zeit aufs brutale reduziert und entwurzelt worden sind.

Neben dem eigentlich Erzählstrang, gibt es auch eine höhere, spirituelle Ebene, die immer wieder zu Wort kommt. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diesen Aspekt des Romans nicht immer verstanden habe. Ich habe dies einfach hingenommen und weitergelesen. Das Nichtverstehen mag damit zusammenhängen, dass der Roman von einem US-amerikanischen Autor geschrieben ist, der natürlich anders sozialisiert ist, als ich.

Auch ohne diese Passagen hat sich die Atmosphäre, die zwischen Hoffnung, Erotik, Trauer, Liebe und Entsetzen schwankt, auf mich übertragen und „Die Propheten“ für mich zu einem wahren Lesegenuss gemacht. Es ist natürlich keine leichte Kost und vielleicht sollte der Verlag auch darüber nachdenken, eine Triggerwarnung auszusprechen. Geht es doch um (sexualisierte) Gewalt, Tod und es fallen Begriffe, die schmerzhaft für Schwarze Menschen sein können. Es gibt zwar einen Hinweis, dass in Absprache mit dem Autor entschieden wurde in der deutschen Übersetzung die Sprache in all seiner historischen Grausamkeit darzustellen, dennoch könnte man diesen Absatz erweitern.

Ich bin mir nach wie vor auch nicht sicher, ob das ausreicht? Schließlich hat der Autor (außer er spricht gut Deutsch und kennt sich hier aus) kein Gefühl dafür, wie Wörter in deutscher Sprache wirken können, wie sie historisch gewachsen sind und heute genutzt wurden. Umgekehrt ist es sein Werk, welches nicht ohne seine Zustimmung inhaltlich geändert werden sollte. Eine schwierige Diskussion! Dennoch habe ich Sorge, dass einige Menschen „Die Propheten“ nicht lesen wollen würden, weil es zu schmerzhaft ist.

Wer allerdings „Die Propheten“ lesen mag, wird mit einem außergewöhnlichen Roman belohnt, der vielschichtig und beeindruckend ist. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und mich hat die Lektüre noch lange und vor allem nachhaltig beschäftigt.

DIE PROPHETEN

Die Propheten
Robert Jones Jr.
Übersetzung durch Simone Jakob
Gebunden mit Schutzumschlag
544 Seiten | ISBN:  978-3423290142
26€ [D] über Amazon (Affiliate Link)


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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