Die Lüge
Mikita Franko
Werbung, da Rezensionsexemplar
„Sag ihm, er soll aufhören, seine Komplexe wegen der männlichen Geschlechtsstereotypen, die ihm aufgezwungen werden, auf so einen netten Menschen, wie dich auszulagern.“
Die Lüge, Seite 56
Ich blinzelte.
„Was?“
„Sag ihm einfach, er ist ein Idiot“, rief Slawa aus dem Nebenzimmer.
Darum gehts in die Die Lüge
„Die Lüge“ von Mikita Franko ist einer dieser fesselnden, tragisch-komischen Romane, die man einfach nicht aus der Hand legen kann. Als Mikita fünf Jahre alt ist, stirbt seine Mutter an Krebs. Der Vater ist zu diesem Zeitpunkt ein Unbekannter und der Junge „schwebt in der Luft“, wie es seine Oma formuliert. Soll er zu ihr ziehen oder doch lieber zu seinem Bruder Slawa? Schließlich wird Mikita von Slawa adoptiert, der mit seinem Partner Lew zusammenlebt. Die beiden führen ein Doppelleben. Innerhalb der vier Wände ihrer Wohnung führen sie ein glückliches Leben mit all seinen Höhen und Tiefen. Sobald sie allerdings auf die Straßen der russischen Stadt gehen, in der sie wohnen, fängt das Versteckspiel an.
Je älter Mikita in „Die Lüge“ wird, desto mehr fühlt er sich zerrissen. Als er eingeschult wird, wird das Versteckspiel zunehmend schwieriger für ihn. In der konservativen russischen Gesellschaft darf keiner Erfahren, dass er zwei Väter hat. Gleichzeitig ist er das Lügen und Verstecken satt und fällt schlussendlich in eine schwere Depression, die ihn und seine Familie bis an den Rand treibt. Mikita fühlt sich zunehmend zu Jung hingezogen, aber kann diese Gefühle nur schwer zu lassen. Er hat Angst, dass die russische Propaganda recht hat und gleichgeschlechtliche Paare zwangsläufig homosexuelle Kinder erziehen. Erst nach und nach findet er zu sich und mehr Akzeptanz für Slawa und Lew, die als Zielscheibe für seine Aggressionen herhalten mussten.
„Die Lüge“ ist auf vielerlei Art und Weise ein fantastischer und berührender Roman, dass es schwer fällt, meine Begeisterung in Worte zu fassen. Da ist zum Einen der Autor Mikita Franko, der seinen Figuren so viel Leben einhaucht und feinfühlig Situationen zu skizzieren vermag, die tiefgründiger kaum sein könnten. Der Autor ist 1997 geboren und stammt aus Kasachstan. Er betrachtet sich selbst in der Tradition der Akyn, der kasachischen Volksdichter, die politische Themen verhandeln. Welche Bedeutung der gleiche Vorname des Autors und Protagonisten hat, bleibt im Dunkeln. Sicher können wir uns als Leser*innen allerdings sein, dass dies kein Zufall ist.
Auf der anderen Seite ist das Thema einerseits so beeindruckend und traurig und andererseits steckt „Die Lüge“ aber auch so voller ehrlicher Liebe und Heiterkeit, dass es kaum auszuhalten ist. Etwa wenn Slawa sagt: „Ich bin diese verfluchte russische Wahl zwischen Gewalt und Gewalt so leid. Hier bleibt selbst Kindern nichts, als ihre Henker auszusuchen.“ (Die Lüge, Seite 77), dann bekomme ich Gänsehaut, weil dieser Absatz so unter die Haut geht.
Bisher habe ich wenig russische Literatur gelesen und gerade im Hinblick auf den Ukraine Krieg tut es gut, auch andere Stimmen zu hören und die russische Gesellschaft diversifizieren zu können. Gleichzeitig macht „Die Lüge“ dankbar in einer Gesellschaft aufwachsen zu dürfen, die trotz aller Probleme, um einiges liberaler ist.
Alles in allem möchte ich „Die Lüge“ allen ans Herz legen und hoffe das dieser Roman noch viele Menschen zum Lachen, Weinen, nachdenken und freuen bringt.
DIE LÜGE
Die Lüge
Mikita Franko
Übersetzung durch Maria Rajer
Gebunden mit Schutzumschlag
384 Seiten | ISBN: 978-3455013672
24€ [D] über Amazon (Affiliate Link)
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.