Weisse Wolken – Eine Familiengeschichte über Zugehörigkeit und Selbstfindung

Eine Hand hält das Buch Weisse Wolken von Yandé Seck gegen eine hellblaue Wand.

Zwei Schwestern, die mit einer exzentrischen weißen Mutter und einem Philosophie liebenden Vater aus dem Senegal gesegnet sind, sind die Zutaten von Yandé Secks Debütroman „Weisse Wolken“. Dieo und Zazie sind nicht nur durch ihr Alter getrennt, sondern auch durch die unterschiedlichen Themen, die sich beschäftigen. Die eine arbeitet sich am vermeintlichen ideal der Kleinfamilie im Frankfurter Nordend ab, während die andere gesellschaftliche Zusammenhänge in Frage stellt. Als ihr Papie verstirbt und die beiden zu seiner Beerdigung in den Senegal reisen, verändert sich einiges.

Weisse Wolken von Yandé Seck

Zazie schob ein ein paar Krümel auf ihrem Teller hin und her. „Ich denke im Moment viel über Zugehörigkeit nach und …
Na ja, es kommt mir so vor, als wäre das das Problem.“
„Wessen Problem?“
„Meins. Deins. Ich weiß es nicht. Nehmen wir mal das Beispiel working class. Warum machen wir uns vor, wir könnten uns aussuchen, welchem Milieu wir angehören?“

Weisse Wolken, Seite 63

Darum geht’s in Weisse Wolken

Die zwei Schwestern Dieo und Zazie sind an zwei verschiedenen Stationen in ihrem Leben und arbeiten sich an unterschiedlichen Themen ab. Dieo ist Mutter dreier Kinder, verheiratet mit dem weißen mittelalten Mann Simon, der beinahe das stereotype Bild eines cis-Dudes in der Frankfurt Finanztechwelt, und sie macht eine langjährige und intensive Weiterbildung zur Psychoanalytikerin. Zazie hat gerade ihr Studium beendet und steht vor der Entscheidung, ob sie eine Karriere in der Wissenschaft wagen möchte. Für sie ist ihr Schwarzsein eine politische Kategorie und sie arbeitet sich an allerhand -ismen ab. Eine Eigenschaft, die nicht in der gesamten Familie für Verständnis sorgt. Als der Vater der beiden verstirbt, treten die beiden eine Reise zu seinen Wurzeln in den Senegal an. Der Tod bringt das vermeintliche Familiengleichgewicht auseinander und öffnet dennoch eine Tür zu mehr Verständnis für einander.

Mir hat „Weisse Wolken“ von Yandé Seck außerordentlich gut gefallen. Sowohl von den Inhalten, welche der Roman transportiert, als auch von dem Schreibstil her. Das Buch lässt sich flüssig lesen, die Charakter sind nahbar und ich war sofort mittendrin in der Familie! Herausragend ist jedoch der Umgang mit den vielen unterschiedlichen Themen wie Rassismus, Sexismus, Migration, Klassizismus, Zugehörigkeit und natürlich auch Familie. Yandé Seck hat die familiären Beziehungen mit all ihren Facetten dargestellt und doch habe ich vor allem ein Gefühl von Fürsorge und auch Liebe zwischen den Zeilen gelesen. Überraschend fand ich in dieser Hinsicht auch, wie lange sie die Charaktere aufgebaut hat, bis der Vater tatsächlich verstirbt. Ich dachte dies wird von Anfang an mehr Raum im Roman einnehmen.

Überaus erfrischend ist auch, dass der Roman im heutigen Frankfurt spielt. Dadurch ist er äußert aktuell und Leser*innen aus Deutschland dürfte einiges bekannt vorkommen. So war ich zum Beispiel auch bei der Show von Trevor Noah, auf die Yandé Seck anspielt. Darüber hinaus scheint mir der Roman eine Art Safe Space zu sein. Es wird gegendert und aus meiner Wahrnehmung keine Begrifflichkeiten genutzt, die diskriminierend auf die Leser*innen wirken könnten. Es tut gut, bei einem Buch nicht Zusammenzucken zu müssen, weil problematische Begriffe durch die Autor*in genutzt oder falsch übersetz werden. Danke dafür!

Alles in allem gibt’s von mir 5 von 5 Sternen. Ein starkes Debüt und ich hoffe inständig, das noch mehr Romane von Yandé Seck folgen werden. Außerdem denke ich jetzt anders über weiße Flecken auf Fingernägeln und nutze sie garantiert als Gedächtnisstütze (Spoiler, ohne echter Spoiler!).

Yandé Seck
Weisse Wolken

Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag
352 Seiten | ISBN:   978-3462004977
23€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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