Der Salzpfad – Rezension
Gut gesagt:
„Stumm klammerte ich mich an ihn. Jetzt war es gesagt; wir hatten den Tod akzeptiert, Moth würde kämpfen, aber letztendlich würde er verlieren. Er war so stark gewesen, dem Unausweichlichen von Anfang an ins Auge zu blicken; inzwischen hatte auch ich mich genügend gefasst, um die Wahrheit anzuerkennen und loszulassen. Wir lagen am Rand von Lyme Regis im Zelt, auf einem Flecken Gras zwischen Hummerkörben und Ferienhäusern, und hatten dem Tod die Tür geöffnet. Und damit das Leben reingelassen. Die scharfkantigen, zersplitterten, verloren gegangenen Bruchstücke unseres Lebens setzten sich langsam, aber nahtlos wieder zusammen.“
Der Salzpfad, Seite 296
Darum gehts in Der Salzpfad
Wie viel Schicksalsschläge kann ein Mensch ertragen? Mit dieser Frage sehen sich Raynor und ihr Mann Moth konfrontiert, als sie zunächst ihr geliebtes Haus verlieren und dann auch noch die schockierende Nachricht von einer unaufhaltsamen Krankheit bei Moth erhalten. All das Geschieht in einer Woche und verändert das Leben der beiden schlagartig.
Alles was sie besitzen passt zu diesem Zeitpunk in einen Rucksack und kurzerhand machen sie sich auf, den West Coast Path zu wandern. Dieser Wanderweg führt über tausend Kilometer von Minehead am Bristolkanal, über Land´s End in Cornwall bis nach Poole am Ärmelkanal. Vor vielen Jahren hatte Raynor davon gelesen und war seitdem fasziniert. Und so macht sich das Paar, welches seit 32 Jahren zusammen ist, auf den Weg stückweise die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen.
Exkurs zum West Coast Path: Der South West Coast Path wurde ursprünglich angelegt, um Schmuggler aufzuspüren und ist heute Großbritanniens längster Fernwanderweg – über 1.014 km oder 630 Meilen lang. Aufgrund der vielen Flussmündungen (bei denen der Weg steigt und fällt), muss man als Wanderer auf der gesamten Strecke stolze 35.000 Höhenmeter bewältigen.
Gefällt weil
solche Geschichten wie Der Salzpfad nur das Leben schreiben kann. In dem Buch steckt so viel Tragik, aber auch Humor und Hoffnung, dass es schwer zu ertragen ist. Nicht selten fragt man sich, warum so warmherzige und offene Menschen wie Raynor und Moth solch ein Schicksal ertragen müssen. Ich bewundere die unerschöpflich scheinende Kraft der beiden, wenn sie trotz aller Widrigkeiten wieder die Wanderschuhe schnüren und einem weiteren Tag und allen Widrigkeiten auf dem West Coast Path trotzen.
Was mich an Der Salzpfad ebenso begeistert hat, ist die Gesellschaftskritik im Buch. Im klassischen Sinne ist das Paar obdachlos und doch hat es auf die Menschen eine ganz andere Wirkung zu sagen, man hat alles aufgegeben und wandert auf dem West Coast Path. Es ist erschütternd zu lesen, wie sehr Obdachlose in der Gesellschaft marginalisiert und ausgestoßen werden. Immer wieder nutzt Raynor die Gelegenheit im Buch, um auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Alleine das macht Der Salzpfad absolut empfehlenswert.
Aber auch so möchte ich eine große Leseempfehlung für Der Salzpfad aussprechen. Ich habe zusammen mit Raynor und Moth gelitten, gelacht und geliebt. Selten hat mich ein Reisebericht so gefesselt und mitgenommen. Ich war den beiden ganz nah und für diese intensive Leseerfahrung danke ich den beiden. Zurecht kommentier Deutschlandfunkt LESART das Buch mit „Ein Reisebericht voller Menschlichkeit und Herzenswärem“, dem kann ich mich nur anschließen. Vielen Dank für dieses tolle Buch.
DER SALZPFAD
Der Salzpfad
Raynor Winn
Übersetzt von Heide Horn und Christa Prummer-Lehmair
336 Seiten | Taschenbuch
ISBN: 978-3-7701-6688-6
14,99€ (D) über Amazon [Affiliate Link]
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.