Ferne Gestade

Eine Hand hält das Buch Ferne Gestade von Abulrazak Gurnah gegen eine hellblaue Wand

In dem Roman „Ferne Gestade“ des Literaturnobelpreisträgers Abdrulrazak Gurnah, treffen sich zwei alte Bekannte wieder, die auf ganz unterschiedliche Arte und Weise ihre Heimat verlassen haben. Der eine als Student, der andere als Geflüchteter. Viele Jahre später unterhalten sie sich in der Wohnung des Einen und tauchen tief in ihre Vergangenheit ein, die sie von der tropischen Insel Sansibar dorthin getrieben hat, wo sie jetzt sind, in eine kleine verregnete Stadt irgendwo in der Nähe von London.

Ferne Gestade
Abdulrazak Gurnah

Werbung, da Rezensionsexemplar

Ich gemahnte mich nicht daran, die Bilder, Anblicke und Gerüche dieses Augenblicks, an einem geheimen Ort in meinem Inneren zu verwahren, damit ich etwas für die unfruchtbaren Jahre hätte, die vor mir lagen, in denen die Erinnerungen aus dem Schweigen heraus unvermittelt zuschlagen und mich mit hilflosem Kummer durchschütteln würden, der Art wegen, in der ich von meiner schönen Mutter Abschied genommen hatte.

Ferne Gestade, Seite 185

Darum gehts in Ferne Gestade

Es ist ein grauer Tag im Herbst, als Saleh Omar in London ankommt. Er hat wenig Besitztümer dabei, einzig ein Mahagonischälchen mit Weihrauch ist von Wert. Dieses wird im späteren Verlauf von „Ferne Gestade“ auch immer wieder auftauchen und Teil der detailreichen Geschichte rund um Omar und Latif Mahmud, der wie Omar aus Sansibar kommt und dennoch einen ganz anderen Lebensweg für sich gewählt hat.

Omar zieht zunächst vor zu schweigen als er von den Zollbeamten auf Grund fehlender Dokumente rausgegriffen wird und sagt lediglich das Wort „Asyl“. Dies reicht, um als Asylbewerber in England aufgenommen zu werden. Der einstige Möbelgeschäftinhaber und Familienvater, der ein ein eigenes Haus besaß und einen gewissen Wohlstand, gerät in die Mühlen der englischen Bürokratie und sucht Schutz hinter einem falschen Namen und seinem Schweigen.

Latif ist ebenfalls aus seiner Heimat Sansibar geflohen, hat aber einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Er bekommt ein Stipendium in der DDR. Allerdings fühlt er sich eingeengt und erfährt Rassismus. Dies führt ihn dazu, aus dem sozialistischen Bruderstaat in Richtung England zu fliegen.

Jahre später begegnen sich Omar und Latif wieder und werfen gemeinsame einen Blick zurück in die Vergangenheit. Sie kennen sich beide aus Sansibar. Zwischen ihrer beiden Familien herrscht böses Blut, welches beiden nun wieder aufrollen und gemeinsam zurück schauen, Erinnerungen abgleichen und vielleicht auch einander verzeihen können.

Nach „Das Verlorene Paradies“ ist „Ferne Gestade“ der zweite Roman von Abdulrazak Gurnah, den ich gelesen habe und er gefällt mir noch besser als das erste Buch. Es mag daran liegen, dass die Geschichte von Omar und Latif näher an unserer heutigen Zeit dran ist und Themen wie Flucht und das zweierlei Maß, mit dem Geflüchtete gemessen werden, mich ebenfalls beschäftigen.

Auch dieses Mal nutzt Abdulrazak Gurnah wieder die volle Bandbreite seinen Könnens und entfaltet vor den Leser*innen einen Roman, der die Lebensspanne zweier Menschen beinahe vollständig abdeckt. Er springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, ohne den Faden zu verlieren und es macht Freude, ihm bei diesen Zeitwechseln zu folgen.

Omar und Latif sind zwei spannende Charaktere, die gekennzeichnet sind durch ihre jeweils ganz eigenen, schmerzvollen Erfahrungen, an denen der jeweils andere vielleicht auch nicht ganz unschuldig ist. „Ferne Gestade“ wird damit zu einem Roman, von dem man nicht genug bekommen kann. Seite um Seite habe ich verschlungen, weil ich die ganze Geschichte erfahren wollte. Große Empfehlung von mir!

FERNE GESTADE

Ferne Gestade
Abdulrazak Gurnah
Übersetzung durch Thomas Brückner
Gebunden mit Schutzumschlag
416 Seiten | ISBN:  978-3328602606
26€ [D] über Amazon (Affiliate Link)


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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