Die Nickel Boys
Rezension
Gut gesagt
Die reale Welt erteilte ihm aber weiterhin Lektionen: Du sollst nicht lieben, denn man wird dich im Stich lassen; du sollst nicht vertrauen, denn man wird dich verraten; du sollst nicht aufbegehren, denn man wird dich Mores lehren. Er hatte die hehren Maximen trotzdem noch im Ohr: Liebe, und man wird deine Liebe erwidern; vertraue auf den Pfad der Rechtschaffenheit, und er wird dich zur Erlösung führen; kämpfe, und die Dinge werden sich ändern. Er hatte niemals zugehört, niemals wahrgenommen, was er vor Augen gehabt hatte, und nun hatte man ihn komplett aus der Welt gerissen. Die einzigen Stimmen waren die der Jungs unten, Rufe und Lachen und ängstliche Schreie, als würde er in einem trostlosen Himmel schweben.
Die Nickel Boys, Seite 2018
Darum gehts in „Die Nickel Boys“
Der sechzenjährige Elwood ist buchstäblich zur falschen Zeit am falschen Ort. Eigentlich ist er ein rechtschaffender Junge, der es mit seinem klugen Köpfchen aus dem Schwarzen Ghetto in Tallahassee, Florida der 60er Jahre, schaffen kann. Das Schicksal hat aber ganz andere Pläne mit ihm.
Auf dem Weg zu seinem ersten Tag im College, mit dessen Besuch sein Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg in Erfüllung gehen soll, steigt er zufällig in ein gestohlenes Auto. Was zunächst mit einem harmlosen Trampen beginnt, endet für ihn in der Besserungsanstalt Nickel Academy. Ohne gerechtes Verfahren, muss er dort nun für eine Tat büßen, die er nicht begangen hat.
Schnell stellt er fest, dieser Ort ist brutal und noch brutaler für die Schwarzen Jungs, die ganz unten in der Rangordnung der Besserungsanstalt stehen. Schläge und andere drakonische Strafen sind hier an der Tagesordnung, die einem willkürlichen Regelwerk folgen, welches kaum nachvollziehbar ist.
Lange nach seiner Strafe verfolgt Elwood seine traumatische Vergangenheit. Als Jahre später ein geheimer Friedhof in der Nähe der Nickel Academy gefunden wird, packt ihn die Unruhe und er kehrt an diesen furchtbaren Ort zurück.
Gefällt weil:
Colson Whitehead mit dem Roman „Die Nickel Boys“ den tief verwurzelten Rassismus in den USA adressiert und vom Trauma der Historie der Vereinigten Staaten berichtet. Eingebettet ist der Roman in die wahre Geschichte der Dozier School, die von 1900 bis 2011 als Besserungsanstalt für Jungs fungierte. Sie ist vor allem bekannt für den Missbrauch und die Gewalt gegen die inhaftierten Jungs, die bisweilen bis zum Mord führten.
All das verarbeitet der Autor in „Die Nickel Boys“. Besonders beeindruckt hat mich dabei seine Erzählgewalt, die zurecht mit einem Pulitzerpreis ausgezeichnet worden ist. Whitehead schafft es mit wenigen Worten Taten zu beschreiben, die Schlimmes erahnen lassen, ohne genau darauf eingehen zu müssen. Neben den offensichtlichen Gewalttaten der Aufseher, sind es auch all die kleinen, alltäglichen Stichelein die berühren, genauso wieder Zusammenhalt der Jungs untereinander.
„Die Nickel Boys“ ist ein beeindruckendes Buch, welches ich euch gerne ans Herz legen möchte. Nicht nur um der fesselnde Lektüre willen, sondern auch, um einen tieferen Blick in die US-Amerikanische Seel zu wagen und um Zusammenhänge zu verstehen.
Ein einziger Kritikpunkt geht an die Übersetzung. Ich finde es schwierig das N-Wort im Deutschen zu reproduzieren. Gerade im US-Amerikanischen Kontext ist das Wort anders besetzt, als im Deutschen. Hier hätte ich mir zumindest eine Einordnung oder eine andere Übersetzung gewünscht.
DIE NICKEL BOYS
Die Nickel Boys
Colson Whitehead
Übersetzt durch Henning Ahrens
240 Seiten | Taschenbuch
ISBN: 978-3442770427
12€ (D) über Amazon [Affiliate Link]
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.