Immer wieder lese ich Diskussionen über Townshipwalks in Afrika und sogenannten Slum-Tourismus im Allgemeinen. Die einen sehen da drin eine reine Zurschaustellung der dort lebenden Menschen, die anderen einen großen Wert in diesem Zusammentreffen. In Namibia habe ich an einem Townshipwalk in Swakopmund teilgenommen und möchte dich an meinen Erfahrungen teilhaben lassen.
Der Townshipwalk in Swakopmund geht los
Als ich und meine Gruppe vom Hotel abgeholt werden um den Townshipwalk in Swakopmund zu beginnen, ist mir schon etwas mulmig zu mute. Wie werden die Menschen auf uns reagieren? Werde ich mich damit wohlfühlen? Und ist solch ein Besuch überhaupt richtig?
Einige Minuten später gibt es aber kein zurück mehr. Wir lassen die Stadt hinter uns und fahren in das Township rein. Zunächst bin ich überrascht. Zwar sieht es schon arg trostlos aus, aber immerhin stehen überall noch Steinhäuser. Je weiter wir jedoch fahren, desto mehr Wellblechhütten tauchen auf und ganz am Rande des Townships,gibt es nur noch Wellblech zu sehen.
Dennoch haben die Bewohner*innen ein wenig Privatsphäre und wie ich mir erklären lasse, gibt es Bemühungen, in den kommenden Jahren Steinhäuser für alle zu bauen. Inwiefern dies stimmt, kann ich nicht beurteilen. Aus Südafrika weiß ich allerdings, das solche Vorhaben ihre Zeit brauchen.
Außerdem, so wird mir weiter erklärt, leben viele Menschen auf dem Land und haben quasi ihren Zweitwohnsitz in der Hauptstadt. Dies liegt vor allem daran, um eine bessere medizinische Versorgung zu haben und den eigenen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen. .
Historischer Hintergrund von Townships
Interessant ist auch der Unterschied zwischen einem Slum bzw. Armensiedlungen und einem Township. Ein Blick in die Geschichte lohnt sich hier. Während der Apartheid wurde die schwarze Bevölkerung in so genannte Townships gesteckt. Hier wurden sie anhand ihrer ethnischen Zugehörigkeit „sortiert.
Die Wohnviertel sollten weit genug weg sein, von den rein weißen Gebieten. Aber ebenfalls nah genug dran sein, damit die Arbeitskräft auch zur Verfügung standen. Bei Slums im Gegensazu dazu, handelt es sich um informelle Siedlungen. Häufig wird die arme Landbevölkerung von einer vermeintlichen Perspektive in den Städten angezogen und diese Siedlungen entstehen.
Gefühlschaos
Jetzt aber zu meinem persönlichen Eindruck. Tatsächlich waren meine Gefühle während des Townshipwalk in Swakopmund gemischt. Zum einen war ich sehr interessiert an dem Lebensalltag der Menschen. Zum anderen war ich nie ganz sicher, ob wir wirklich willkommen waren oder nicht.
Uns wurden während der Tour verschiedene Gemeinschaften innerhalb des Townships vorgestellt, von Owambo, über Himba bis Nama. Diese wurden alle während der Apartheid dort angesiedelt und hatten keine Chance, woanders zu leben.
Einige der Bewohner*innen haben uns etwas erklärt, andere haben für uns gesungen. Ich persönlich mag es nicht, wenn andere für mich singen. Dadurch fühle ich mich immer in Verlegenheit gebracht. Allerdings war es bei dieser Tour etwas anders. Es schien mir, als würden die Kinder für uns singen wollen und spätestens als wir ein Lied anstimmen mussten (Twinkle, twinkle, little star…), wurde es für uns tatsächlich etwas peinlich.
Neben einer kurzen Einführung in die Klicksprache (wo sich auch köstlich über uns amüsiert worden ist), gab es noch Erklärungen zu verschiedensten Heilpflanzen. Ebenso hat uns eine Herero Frau Rede und Antwort gestanden. Dies wiederum hat mir nicht so gut gefallen, da wir alle im Halbkreis um sie herum standen und sie etwas verloren gewirkt hat. Ich habe sie dann gefragt, was ihre „Kuhhörner“ (diese symbolisieren die tiefe Verbundenheit der Herero zu ihren Tieren, aber auch ihren sozialen Status) zum halten bringt und sie meinte da drauf:„Das geht nur die Frauen etwas an, selbst ihr Mann wisse das nicht. Aber wir können gerne in ihre Hütte kommen“.
Und ab da wurde es dann wieder besser und lockerer. Sie weihte uns in ihr Geheimnis ein (an alle Frauen: wenn ihr neugierig seid, schreibt mir ruhig eine Mail, dann verrate ich es euch) und erzählte aus ihrem Leben. Ihre Hütte war auch verhältnismäßig groß und schön eingerichtet. Aber auch sie erzählte uns, dass sie eigentlich auf dem Land wohnt und nur wegen den Kindern in der Stadt ist. Das Township von Swakopmund ist also keine Bleibe auf Dauer.
Zu guter Letzt waren wir noch in einer Bar. Wir haben dort Bier probieren dürfen (das gute Windhoek Lager). Allerdings kam mir dort auch wieder in den Sinn, dass ich keine Lust hätte von einer Horde von Touristen bei meinem Feierabendbier gestört zu werden. Anschließend ging es dann weiter in ein Hinterzimmer, wo wir ein paar Kleinigkeiten zum probieren bekamen.
Da gab es dann auch die viel beschworenen Mopanewürmer und anderes, regionales Essen. Nach dem Essen kam eine weitere Musikgruppe und das mochte ich dann wieder nicht so. Der Raum war sehr eng und zum Schluss wurden noch CDs verkauft. Ich fühle mich dann immer so schlecht, wenn ich keine kaufe, andererseits will ich auch nichts aus falscher Scharm unterstützen, wenn ich nicht dahinter stehe. Anderen hat es zum Glück besser gefallen und haben CDs gekauft.
Fazit zum Townshipwalk in Swakopmund
Nach wie vor bin ich zwiegespalten was solche Townshipwalks angeht. Vermutlich ist es aber falsch, solch ein Erlebnis in schwarz oder weiß einteilen zu wollen. Es gibt viele Vorteile die auf der Hand liegen. Townshipwalks kosten Geld und bringen somit auch Geld zu den Menschen, außerdem habe ich ein viel besseres Bewusstsein für die verschiedenen Gemeinschaften innerhalb des Townships entwickelt und viel gelernt. Ich wäre ansonsten auch niemals in diese Gegend der Stadt gekommen und bin froh auch den „schwarzen Teil“ gesehen haben, denn nun kann ich mir ein viel differenzierteres Bild über Swakopmund bilden.
Andererseits fehlt mir irgendwie die Transparenz. Kommt das Geld wirklich bei den Menschen an? Was passiert damit? Das sind alles Fragen, die ich mir gestellt habe. Außerdem spulen diese Menschen immer wieder ihr Programm ab. Ich weiß nicht, ob das nicht irgendwann lästig wird. Außerdem wurde es Townshipwalk genannt, wir wurden aber mit dem Auto von A nach B gefahren und waren kaum zu Fuß unterwegs.
Dennoch ist es eine Erfahrung die ich nicht missen möchte und bin froh, das ich dabei war. Ich würde allerdings jedem empfehlen, der ebenfalls so eine Tour machen möchte, sich genau zu erkundigen, wer der Anbieter ist, was man sieht etc.
Kleiner Hinweis am Rande
Mir wurde gesagt, bettelnden Kindern nichts zu geben. Also auch keine Süßigkeiten, da dies nicht wirklich hilft. Lieber soll man an eine Organisation spenden, die man kennt und die in medizinische und schulische Versorgung investiert. Außerdem sollte man auch nicht alleine in das Township gehen. Wie auf jedem Fleckchen Erde auf der Welt, gibt es auch hier Menschen, die einem eventuell Böses wollen. Ich persönlich fand es auch unpassend mit der dicken Spiegelreflexkamera dorthin zu fahren, aber das muss jeder für sich wissen.
Hinweis: Die Fotos auf dieser Seite sind mit einer analogen Kamera aufgenommen worden und können vielleicht mit der Qualität anderer nicht mithalten. Allerdings macht diese Art der Fotografie für mich einen ganz besonderen Reiz aus und spiegelt manche Stimmungen einfach besser wieder, als jedes digitale Bild.
Ich finde Deine
analogen Fotos sehr schön.
Herzlichen Dank!
Liebe Grüße vom Lieschen