Abgrund – ein Familienroman aus Kolumbien

Eine Hand hält das Buch Abgrund von Pilar Quintana gegen eine hellblaue Wand

Claudia wächst mit ihren Eltern in Calí in Kolumbien auf. Alle drei vereint die Sehnsucht nach einem anderen Leben und doch können sie sich nicht öffnen und ihre Wünsche kommunizieren. Die Mutter verfällt dem Alkohol und hat depressive Schübe, die durch eine unerfüllte Liebe verstärkt werden, während Claudias Vater schweigt und sich in die Arbeit in seinem Supermarkt stürzt. Dazwischen steht ihre Tochter, die trotz ihres Alters vieles versteht und zunehmend unglücklicher wird. Nicht nur ein Abgrund tut sich auf.

Abgrund
Pilar Quintana

Werbung, da Rezensionsexemplar

Meine Mama hätte ihre Tante sein können. Eine abenteuerlustige Tante, eine Frau ohne Kinder, verliebt in ihren Mann und zufrieden mit dem Leben, die ganz vernarrt in ihre Nichten war und ihnen Geschenke von ihren Reisen von der Welt mitbrachte. Die Art Frau, die diese Mädchen, die alle Mädchen als Erwachsene selbst einmal sein wollten.

Abgrund, Seite 166

Darum gehts in “Abgrund”

TW Suizid und suizidale Gedanken

Die achtjährige Claudia wohnt gemeinsam mit ihren Eltern in einer Wohnung in Calí. Überall in der Wohnung wachsen Grünpflanzen, die nicht nur an einen undurchdringlichen Dschungel erinnern, sondern auch die Gefühlswelt der Mutter widerspiegeln. Geht es ihr gut, ergrünen die Pflanzen, geht es ihr schlecht, gehen sie ein. Neben den Klatschzeitschriften, scheinen die Pflanzen die einzige Leidenschaft der Mutter zu sein. Enttäuscht vom Leben und ihrem Ehemann, stürzt sie sich in eine Affäre mit Gonzales, der neuen Eroberung ihrer Schwägerin Amelia.

Es dauert nicht lange, bis dieses Geheimnis an die Luft kommt. In Claudia wächst die Angst, dass ihre Eltern sich trennen könnten. Doch die beiden bleiben zusammen und der resignierte Vater verfällt nicht nur in ein Schweigen, sondern arbeitet noch mehr in dem kleinen Supermarkt, als sonst schon. Als die depressiven Phasen der Mutter zunehmen, findet Claudia zunehmend Halt in ihrer Lieblingspuppe Paulina und den seltenen Besuchen bei der Tante Amelia.

Ein gemeinsamer Aufenthalt in der traumhaften Kulisse der Berge rund um Calí soll die kleine Familie wieder näher bringen. Erst scheint sogar alles besser zu werden, aber dann geht es der Mutter immer schlechter und Claudia beginnt sich zunehmend für die Abgründe rund um das Haus und ungeklärte Todesfälle zu interessieren. Wer achtet auf das kleine Mädchen in einer Welt, wo die Erwachsenen mit sich beschäftigt sind?

“Abrgrund” ist ein soghafter Roman, der mit seinen rund 240 Seiten beinahe an eine Kurzgeschichte erinnert. Die Erzählung der Autorin Pilar Quintana hinterlässt im positiven Sinne viele Fragen, die ich mit in meinen Alltag genommen habe. So regt der Roman sicherlich zum Nachdenken an. Die Erzählung ist genauso erschütternd, wie menschlich und liebevoll und offenbart die Vielzahl von Sehnsüchten, die Menschen unterschiedlichen Alters und sozialer Prägung haben können. Die Autorin schafft es, sie mit ihren Worten ganz nah erscheinen zu lassen.

Als Kritikpunkt würde ich lediglich anbringen, dass es in dem Roman immer wieder um Suizid und suizidale Gedanken geht und keine Triggerwarnung vorab ausgesprochen wird. Möglich, dass man bereits im Klappentext zwischen den Zeilen lesen kann, worum es unter anderem auch geht, aber ich hätte mir eine Warnung vorab gewünscht. So hat es mich doch recht unvorbereitet getroffen.

Abgesehen von diesem Abstriche (und du weißt ja nun bescheid), kann ich “Abgrund” als spannende Lektüre, die zum Nachdenken anregt, nur empfehlen. Ein spannender Roman, der gut in den Spätsommer passt und trotz aller Schwere auch eine gewisse Leichtigkeit hat.

ABGRUND

Abgrund
Pilar Quintana
Übersetzung durch Mayela Gerhardt
Gebunden mit Schutzumschlag
245 Seiten | ISBN:  978-3351039684
22€ [D] über Amazon (Affiliate Link)


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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