Als eine „kurze, lange Zeit“ bezeichnet die Autorin Francesca Melandri in „Alle, außer mir“, den italienischen Kolonialismus. Nicht weniger treffend sind diese drei Wörter für die Kolonialzeit der Deutschen. Obwohl in den letzten Jahren die Kolonialzeit mehr und mehr aufgearbeitet wird, hält sich doch hartnäckig das Narritiv, der Kolonialismus der Deutschen sei nicht so schlimm gewesen. In kurzweiligen und gut verständlichen Texte räumt „Deutschland, deine Kolonien“ mit diesem falschen und vor allem gefährlichen Vorurteil auf und liefert vor allem für Menschen, die sich mit der Thematik noch nicht auseinandergesetzt haben, ein interessantes Einstiegswerk.
„Deutschland, deine Kolonien“
Geschichte und Gegenwart einer verdrängten Zeit
Eva-Maria Schnurr & Frank Patalong (Hg.)
Werbung, da Rezensionsexemplar
Kolonialismus und Imperialismus etablierten ein System globaler Ungleichheit und Abhängigkeit, das bis heute weltweit nachwirkt. Und auch der Rassismus – zugleich Basis des Kolonialismus wie von diesem verstärkt – lebt bis heute fort: Menschen mit Einwanderungsgeschichte erleben ihn in ihrem Alltag in Deutschland immer wieder.
„Deutschland, deine Kolonien“ , Vorwort der Herausgeber*innen auf Seite 13
Darum gehts in „Deutschland, deine Kolonien“
In kurzweiligen, aber nicht weniger interessanten Kapiteln, widmen sich SPIEGEL-Autor*innen in „Deutschland, deine Kolonien“ dem deutschen Kolonialismus. Dabei werden ganz unterschiedliche Themen behandelt, wie zum Beispiel den Vorläufern der Kolonien, die als private Projekte starteten, wieso der deutsche Kolonialismus nicht weniger schlimm war, als der anderer Nationen, welche Nachwirkungen es bis heute gibt oder auch einzelne Schlaglichte auf besondere historische Ereignisse, wie der Maji-Maji-Aufstand oder Zeitzeugenberichte.
„Deutschland, deine Kolonien“ wirkt dabei für mich wie ein gutes Einsteigerwerk, wenn man sich bisher wenig mit dem (deutschen) Kolonialismus beschäftigt hat. Die Beiträge haben natürlich unterschiedliche Schreibstile, die sich vor allem in der Tiefe und des gewählten Stils des jeweiligen Textes unterscheiden, generell aber sehr gut zu lesen sind.
Das Sachbuch gibt dem Lesenden viele Hintergrundinformationen an die Hand, die zum Verständnis dieser düsteren Zeit beitragen. Dazu gehören Begriffserklärungen, eine Chronik und Buch- sowie Filmempfehlungen. Damit wird „Deutschland, deine Kolonien“ nicht nur zu einem Nachschlagwerk zur Kolonialzeit, sondern bietet auch eine Grundlage, sich über die Lektüre des Buchs hinaus, mit der Thematik zu beschäftigen.
Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann das die Autor*innen nur bedingt divers sind. Meiner Meinung nach hätte man mehr Stimmen aus ehemals kolonialisierten Ländern einbeziehen können. So schreiben im Große und Ganzen weiße Autor*innen über das Thema. Umgekehrt waren wir als Deutsche am Kolonialismus betätigt und die Aufarbeitung durch Deutschland ist ungemein wichtig. Das kann nur Geschehen, wenn der Diskurs die Wissenschaft verlässt und anfängt, eine breite Masse zu beschäftigen. Genug aufzuholen gibt es definitiv! Bücher wie „Deutschland, deine Kolonien“ leisten ihren Beitrag dazu und ich hoffe das das Sachbuch viele Menschen zum Nachdenken anregen kann.
„DEUTSCHLAND, DEINE KOLONIEN“
„Deutschland, deine Kolonien“
Geschichte und Gegenwart einer verdrängten Zeit
Eva-Maria Schnurr & Frank Patalong (Hg.)
Gebunden mit Schutzumschlag
256 Seiten | ISBN: 978-3421070029
22€ [D] über Amazon (Affiliate Link)
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.