Liebe in Nordafrika – Let’s Talk About Sex, Habibi

Eine Hand hält das Buch Let's Talk About Sex, Habibi von Mohamed Amjahid gegen eine hellblaue Wand.

Mit „Let’s Talk About Sex, Habibi“ hat Mohamed Amjahid ein Sachbuch geschrieben, dass so ganz anders ist als seine vorherigen Publikationen. Der Autor nimmt uns mit zu Liebe und Begehren von Casablanca bis Kairo, räumt mit Vorurteilen, unnötiger Fetischisierung und Exotisierung auf und hält uns als weißen Westeuropäer*innen gehörig den Spiegel vor die Nase. Ein Buch das Spaß macht, überrascht und mir – ehrlich gesagt – auch mal die Schamesröte ins Gesicht getrieben hat.

Let’s Talk About Sex, Habibi

Werbung, da Rezensionsexemplar

Ich denke, dass ich der Einzige im Männerzimmer war, der nicht ganz verstand, was da gerade passierte. Aber angesichts der vielen hochgezogenen Augenbrauen wurde mir klar: Hier fühlten sich alle etwas überrumpelt. Hatte der Imam tatsächlich gerade lutschen gesagt? Meine Cousins und ich saßen mit offenen Mündern auf den für uns viel zu hohen marokkanischen Polsterbänken (…). Ich verstand es nicht. Und wieder einmal wäre ich in diesem Moment am liebsten bei den Frauen gewesen. Sie tuschelten hinter der Gardine. Sie wussten, worum es ging. Sie hätten mir alles so erklären können, das ich es auch kapiert hätte.

Let’s Talk About Sex, Habibi, Seite 31

Darum geht’s in Let’s Talk About Sex, Habibi

Mohamed Amjahid ist in Frankfurt geboren, zwischenzeitig mit seiner Familie nach Marokko gezogen und wohnt mittlerweile wieder in Berlin. Er wandelt zwischen den Welten und kennt Deutschland und Marokko gleichermaßen gut, um Vergleiche zu ziehen und den Finger dorthin zu legen, wo es auch mal weh tut. Zahlreiche Recherchen haben ihn Nordafrika bereisen lassen und dabei hat er einiges über Liebe, Begehren, Sexualität und Tabus von Casablanca bis Kairo gelernt.

So unterschiedlich wie wir als Menschen sind, so unterschiedlich sind die Erfahrungen des Autors rund um Sexualität in den nordafrikanischen Staaten. Er erlebt ein Festival zu Ehren des Geburtstags von Prophet Mohammed, das eigentlich eine 1-wöchige Orgie ist, kauft bei Salafisten Kondome, setzt sich mit toxischer Männlichkeit auseinander und erlebt den gesellschaftlichen Wandel in seiner Heimat Marokko.

Mir hat das Buch „Let’s Talk About Sex, Habibi“ gut gefallen. Es weiß zu überraschen und wirbelt Vorurteile gehörig durcheinander. Mohamed Amjahid folgt dabei keinem richtigen roten Faden, sondern reiht Anekdoten aneinander, die sich zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Mich hat dies zunächst irritiert. Wenn man es dann erstmal akzeptiert hat, ist das Buch ein atemloser Ritt durch die Schlafzimmer fremder Menschen.

Ich durfte dem Autor auf einer Veranstaltung zum Entstehungsprozess von „Let’s Talk About Sex, Habibi“ lauschen und danach hat mir das Buch noch wesentlich besser gefallen. Mohamed Amjahid hat einen wunderbaren Humor, ist gnadenlos ehrlich, klug und sicherlich auch ein bisschen mutig. Es ist immer interessant mehr über den Entstehungsprozess eines Buches zu erfahren und ich kann dir sehr ans Herz legen online ein Interview mit ihm zu schauen oder vielleicht ist in deiner Nähe sogar eine Veranstaltung mit dem Autor.

Was mir außerdem sehr gut gefallen hat, sind die Parallelen zu Europa, die der Autor gezogen hat. Oftmals sind wir viel zu schnell in unserem Urteil, ohne zu merken, dass bei uns genau das gleiche geschieht, jedoch anders gesellschaftlich akzeptiert oder benannt wird. Ich denke das wir viel eher auf Missstände in unserer Gesellschaft hinweisen sollten, als uns über andere zu erheben und mit dem Finge auf das vermeintlich Andere zu zeigen.

Als einen kleinen Wehrmutstropfen würde ich benennen, dass mir ein Quellenverzeichnis fehlt (da bin ich einfach zu sehr Sozialwissenschaftlerin). Ich kann allerdings gut nachvollziehen, dass Mohamed Amjahid nach zwei ernsten Sachbüchern zum Thema Rassismus jetzt auch etwas spaßig schreiben wollte und ein Quellenverzeichnis dem im Weg stehen (O-Ton: „Ich habe zu meinem Verlag gesagt, ich möchte über Sex schreiben. Da ich zwei erfolgreiche Bücher veröffentlich hatte, konnten sie nicht mehr nein sagen.“).

Alles in allem möchte ich „Let’s Talk About Sex, Habibi“ allen in die Hand drücken, die sich wieder mal meinen darüber echauffieren zu müssen, wenn Frauen ein Kopftuch tragen, zum x. Mal die Kölner Silvesternacht nutzen, um gegen Geflüchtete zu hetzen und zu guter Letzt auch alldenjenigen, die sich einfach gerne unterhalten lassen. Denn wer liest nicht gerne über Liebe, Sex und Begehren? Und selten lernt man dabei auch noch so viel, wie nach der Lektüre von „Let’s Talk About Sex, Habibi“.

Let’s Talk About Sex, Habibi

Mohamed Amjahid
Let’s Talk About Sex, Habibi

Taschenbuch
224 Seiten | ISBN: 978-3492063166
18€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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