Höher, weiter, schneller, besser? Gibt es eine Reisearroganz?

Blick aus dem Flugzeugfenster bei Langeweile auf langen Reisen

Je mehr ich auf Blogs, Foren und ähnlichen Plattformen rund um´s Reisen unterwegs bin, fällt mir eine gewisse Reisearroganz einiger Leute auf. Plötzlich reicht es nicht mehr Urlaub in Europa zu machen, sondern man muss eine Fernreise unternommen haben. Am besten in die entlegensten Winkel dieser Welt, alleine und je gefährlicher desto besser. Mit diesem Beitrag möchte ich diesem Wahn etwas entgegen wirken und Menschen Mut machen, die vielleicht nicht die Möglichkeit haben, weit zu reisen: “Eure Urlaube sind mindestens genauso schön”.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen

Natürlich bin ich nicht von jedem Zweifel erhaben. Ich habe schon einige Fernreisen unternommen und auch mein Lieblingskontinent Afrika, auf dem ich schon alleine unterwegs war, zählt zu den sichersten Reisegebieten. Aber darum geht es gar nicht. Sondern viel mehr die Art und Weise, wie mit Reisen geprahlt wird.

Leuchtturm Dornbusch der Insel Hiddensee

Mein Lieblingsreiseziel ist nach wie vor die Insel Hiddensee (Link), ich bin mindestens genauso gerne mit meiner Familie und Freunden unterwegs, wie alleine und ich wandle zwar gerne abseits der Touristenpfade, aber genauso gerne schaue ich sie mir auch an. Und das ist okay!

Wie individuell kann man heute noch unterwegs sein?

Viel schlimmer ist der Ton einiger Menschen die weit und viel gereist sind. Ich kann zum Beispiel nicht mehr dieses beharren hören, dass man nur abseits der Touristenpfade unterwegs ist. Jeder brüstet sich quasi damit “totaaaaaal Individuell” unterwegs gewesen zu sein. Aber manchmal möchte ich das gar nicht. Wie schade wäre es gewesen, hätte ich mir nicht die Namib angeschaut, nur weil alle da sind. Oder wenn ich den Icefield Parkway nicht gefahren wäre, nur weil man da nicht alleine ist. Es hat ja alles einen Grund, das so viele Menschen sich das anschauen wollen.

Ich denke die Richtige Mischung machts. Natürlich findet man in den Nebengassen die günstigeren und vielleicht auch besseren Restaurants und es ist unglaublich schön, wenn man mitten in der Natur allein ist. Ich meine damit aber nur, das man andere Reisen nicht schlecht machen sollte, nur weil diese Menschen vielleicht anders unterwegs sind, als man selber.

Dinosaurier Drumheller Kanada

Das ist übrigens der Weltgrößte, begehbare T-Rex in Drumheller – Kanada

Und dieses Schlechtmachen ist der Hauptpunkt. Manchmal habe ich einfach das Gefühl, das Reisen die nicht so lange gedauert haben oder einen nicht weit weg geführt haben, “weniger Wert” sind und das darf doch nicht sein oder?

Schluss mit der Reisearroganz

An jeder Reise hängt ein Individuum und dieses als solches verbindet mit der Reise viele Gefühle. Es hat Menschen getroffen, gelebt, gelacht, Neues entdeckt usw. Und welches Recht nehmen sich andere heraus, das schlechter zu machen?
Außerdem mag es für den Einen zwar keine Herausforderung sein Fernreisen alleine anzutreten, für den nächsten ist es aber ein großes Abenteuer mit dem Zug nach Berlin zu fahren. Wie häufig habe ich gehört “Alleine nach Afrika? Das hätte ich mich nie getraut”, während ich in Foren lese “Das kann heutzutage jeder machen”. Und das stimmt eben nicht. Rein von der Sicherheitslage, Transport, Unterkunft etc. ist es natürlich möglich ( wie das geht, kannst du hier nach lesen), aber nicht jeder traut sich das zu.

Lieschenradieschen am Cape Point in Südafrika

Deswegen mein Appell. Jede Reise ist so gut, wie sie sich für den Einzelnen anfühlt. Ob man dafür nach Peru fliegt oder in die Eifel fährt. Beides hat seinen Reiz, bietet Unbekanntes und bringt ganz viel Spaß. Und deshalb gilt für mich höher, weiter, schneller, besser nicht mehr. Wir sollten aufhören unsere Reisen zu vergleichen und uns auf den Spaß fokussieren!

Smiley in den Sand gemalt

Wie siehst du das Ganze? Ist dir auch schon mal diese “Reisearroganz” untergekommen oder kannst du meine Meinung vielleicht überhaupt nicht vertreten? Ich bin gespannt auf deine Antworten.

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Gast
9 Jahre zuvor

Sehr schöner Artikel, da stimme ich dir total zu! In meinem Job als Flugbegleiterin rase ich selbst wie eine Irre durch die Welt und habe manchmal das Gefühl, den ganzen Planeten im Zeitraffer zu sehen. Oft schaffe ich es gar nicht, die ganzen neuen Eindrücke zu verarbeiten, weil ich am schon wieder meinen Koffer packen muss. In letzter Zeit wünsche ich mir nichts mehr, als mal wieder ein paar Wochen mit dem Auto die spanische Küste abzufahren. Ohne Exotik, ohne Langstrecke, ohne Devisen und Reiseführer – dafür mit jeder Menge Zeit :-) LG Franzi

Gast
Kasemir
9 Jahre zuvor

Danke für den Eifel-Hinweis! Bei allen schönen und weiten Reisen, die ich schon erleben konnte: dort habe ich schöne Wanderungen gemacht, Ungewöhnliches erlebt und mich total gut erholt. Genau das hatte ich gebraucht! Bald dann wieder Namibia!
Guter Beitrag!

Gast
9 Jahre zuvor

Sehr schön! Ich bin ja auch permanent auf irgendwelchen Blog unterwegs und suche nach Erfahrungen, Tipps und Inspirationen, aber was ich nicht mag ist, wenn mir jemand beharrlich sagt, wie ich es machen muss oder durchklingen lässt, wie sch… das ist, was eigentlich in mir drin meine Meinung ist. Deine Bemerkung zu den “Touristenpfaden” erinnerte mich da an einen Beitrag. Klar will ich auch möglichst viel vom tatsächlichen Land und Leuten mitbekommen, wenn ich im Ausland bin- aber ich bin nunmal Teil unserer angestellten arbeitenden Bevölkerung und kein “Digitaler Nomade” – d.h. ich habe nur 6 Wochen im Jahr um mir die Welt anzuschauen… und ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich Urlaub in einem Land mache, dass ich vielleicht danach nie wieder besuche und dort nur in Cafés abgehangen habe, anstatt mir die Sehenswürdigkeiten anzuschauen… Natürlich kann ich aber auch verstehen, dass Menschen, die eine absolut geniale und abenteuerliche Reise hinter sich haben, davon berichten und es mit anderen teilen möchten. – Ich denke es ist so wie du es hier schreibst: Leben und Leben lassen! Ein guter Reiseblog schafft es in meinen Augen, dich zu inspirieren und dir dabei zu helfen, herauszufinden, wohin DU willst und was DEINE beste Art zu Reisen ist- und wenn es “nur” die deutsche Nordseeküste ist- auch gut! :-) Immer wieder schön bei dir! ;-) LG Miri mit Andy und Skar

Gast
Harald
9 Jahre zuvor

Toller Artikel. Ich kann dir nur voll und ganz zustimmen. Ich befinde mich zwar gerade auf meiner Langzeit-Südostasien-Reise, finde aber einen kurzen Städtetrip oder einer Wanderung durch die heimatlichen Landschaften genauso interessant.

Das Problem, die Medien und die Gesellschaft verlangen ja immer höher, weiter, besser zu sein als andere. Der Sinn um das wesentliche geht dabei verloren. Nicht nur beim Reisen.

Liebe Grüße

Harald

Gast
9 Jahre zuvor

Schon immer mein Reden : )

Gast
9 Jahre zuvor

Ach wie lustig..ich habe gerade in Brügge mit meinem Freund über dieses Thema gesprochen. Gerade weil wir vieles gemacht haben, was eben alle Touristen machen. Da musste ich daran denken, wie in vielen Blogs immer betont wird, abseits der Touristen sei es ja viel schöner etc.. Und ich wollte da sogar auch irgendwann mal einen Blogpost drüber schreiben.

Ich finde es vollkommen in Ordnung die Touristenpfade zu gehen, befinde mich gern aber auch mal abseits davon. Die Touristenpfade bieten eben richtig schöne Dinge die ich auch gern mal sehen möchte. Oder soll ich in Rom etwa auf den Trevi Brunnen oder das Colloseum verzichten, in Paris Notre Dame auslassen oder in Gent die Mittelalterburg, nur weil sich da auch hundert andere Touristen tümmeln? Nein das möchte ich überhaupt nicht und das muss man auch nicht.Obwohl manch einer so schreibt, als müsse man sich dann schlecht fühlen oder gar schämen.

Überhaupt finde ich ist Europa ein wahres Reiseparadies. Unglaublich wie vielfältig unser Kontinent ist. Oft habe ich schon gedacht: Ach siehste. Du musst gar nicht soweit reisen um so wunderschönes zu sehen.

Klar, die Kulturen in Asien, Afrika etc. bieten auch so viel schönes (und ich reise da selbst total gern hin) aber es muss nicht immer eine Fernreise sein.

Nach unseren 2 Fernreisen 2014 und 2013 sprachen Freunde oft so mit uns: wir fahren NUR nach Spanien. Oder NUR nach Italien. Da musste ich echt mal klarstellen, das keine Reise einen höheren oder geringeren Wert hat als eine andere. Im Gegenteil. Es kommt immer darauf an, was man selbst draus macht. Und selbst ein Ausflug ins Nachbarbundesland kann genauso schön sein, wie eine Reise ans andere Ende der Welt. Niemand sollte deshalb “runtergestuft” werden.

Passend dazu fallen mir die ganzen Bucketslist ein. Da bekommt ja manch einer Depressionen, was da für Punkte drauf stehen. Dazu habe ich auch schon einen Post verpasst. der im Prinzip aussagt: die schönsten Momente bietet dir sowieso kein Reiseführer oder irgendein Blog, sondern nur du und das Leben selbst.

http://findinghummingbirds.de/die-sache-mit-der-loeffelliste/

Danke für deinen schönen Beitrag! Ich bin froh, dass sowas auch mal gesagt wird, denn jeder soll so reisen und die Welt erleben wie er es mag und nicht belächelt werden. Weg mit der Herablassung, weg mit dem Höher, Schneller, Weiter, Individueller, Besser, Schöner, Größer. Her mit dem Leben genießen! Egal wo! Und auch egal ob als (digitaler) Nomade (momentan ja das Non-Plus Ultra) oder nicht! Was zählt ist glücklich sein und das kann ich überall! :)

Ganz liebe Grüße Janine!

Gast
9 Jahre zuvor

Sehr schön geschrieben. Und so wahr. Es muß heutzutage immer höher, schneller, weiter sein. Immer toller und besser als der andere und bloß nicht 08/15. Ich sehe mir gerne auch die Sehenswürdigkeiten an, meistens sind sie es ja auch nicht ohne Grund, sondern weil sie besonders schön, selten oder eindrucksvoll sind. Und bei einem 3-wöchigen Urlaub ist es auch was anderes. Klar, wenn ich ewig Zeit habe, kann ich auch mal länger an einem Ort bleiben, und das Leben vor Ort auf mich wirken lassen und auch die Nebenstraßen besuche.
Ich mache es oft so, daß ich bei dem ersten Besuch eines Landes/Stadt viele Attraktionen besuche. Wenn ich dann ein zweites Mal dorthin kommen sollte, dann werden auch die unbekannteren Ecken besucht oder man läßt sich einfach treiben. Und wenn ich am Marktplatz von Sienna einen Kaffee in einem völlig überteuerten Touricafe trinken möchte, weil ich das gerade so schön dort finde, dann mache ich das.
Und meine Woche auf Sylt in der ziemlich kleinen Ferienwohnung und den langen Spaziergängen an den unendlich langen Stränden möchte ich wirklich nicht missen.
Was mich auch immer aufregt, ist diese Bevormundung auf vielen Blogs, wie man denn Reisen muß.
Wie du sagst, jeder soll so reisen, wie es ihm gefällt und er sich am wohlsten fühlt.

Lieben Gruß
Ina

Gast
9 Jahre zuvor

Vielen Dank, dass Du das mal laut gesagt hast. Mir geht dieses Wettrennen auch mächtig auf den Keks und inzwischen lese ich die Blogs gar nicht mehr. Mich interessieren vielmehr Tipps, die für meine Reisen oder Ausflüge nützlich sind. Ich plane zwar auch gerade unsere erste Fernreise mit Kindern, aber Grund dafür ist der Umzug von Freunden nach Afrika. Und da werde ich mich wohl eher auf ausgetretenen Pfaden bewegen und nicht mit den Kids auf Löwen durch den Busch reiten. Daumen hoch für Deinen Beitrag und liebe Grüße. Ines

Gast
Markus
9 Jahre zuvor

Hey,
erstmal cooles Bild von dem Dinosaurier in Drumheller. Drumheller wurde mir auch als Insider Tipp empfohlen und so bin ich auch mal den Dino hoch gestiegen :-D

Ich muss sagen es scheint mir als würde ich nicht so vielen Blogs folgen. Mir ist die Arroganz nicht aufgefallen. Ist ja auch schließlich egal wo man reist. Mich beispielsweise interessiert es herzlich wenig wenn Leute wieder ein paar Sehenswürdigkeiten mehr auf ihrem Blog vorstellen. Viel wichtiger ist was sie dort machen und wie das so ist. Das ist das interessante und das kann sogar schon in der Nachbarstadt spannend sein :-)

Gruß Markus

Gast
9 Jahre zuvor

wunderbarer post. dem kann ich nur zustimmen! das sind die absurden blüten, die das exponentiell steigende bloggerangebot so treibt. aber man darf sich davon nicht verrückt machen lassen (auch, wenn das manchmal gar nicht so einfach ist). ich denke auch, dass das wichtigste dabei ist, dass der reisende ein bereicherndes erlebnis mitgenommen hat. und wenn das eben ist, in oberitalien 10 tage am strand in der sonne zu brutzeln und die totale abenteuerlose entspannung zu erleben, dann darf das auch so sein. ich frag mich überhaupt, wann das bewerten dessen, was andere machen, so überhand genommen hat.

Gast
Izabela
9 Jahre zuvor

Hallo liebe Lynn,

das ist wirklich ein toller Beitrag und ich muss dir da vollkommen zustimmen: jeder sollte aus seinem Urlaub das Beste machen. “Das Beste” heißt in dem Fall das, was er gerne unternehmen und sehen möchte und nicht, was einem irgendwo von irgendwem erzählt bzw. aufgezwängt wurde. Auch die touristischen Attraktionen sollte man sich in einer bestimmten Stadt einmal anschauen. Aber eben, wie du meintest, auch auf abgelegenen Pfaden wandern, denn die Mischung macht’s tatsächlich.

Liebe Grüße,
Iza

Gast
9 Jahre zuvor

da schreibst Du mir aus der Seele! Ehrlich!
Meine erste Fernreise habe ich mit 29 gemacht – das war das erste Mal, dass ich Europa verlassen habe. Ich fand es toll und möchte auch weitere Fernreisen machen, aber trotzallem ist Europa für mich ein Traumreisekontinent. Es gibt so viele verschiedene Kulturen, Speisen, Sprachen, Traditionen auf so kleinem Raum. Wieso muss ich mich am anderen Ende der Welt auskennen und sollte nicht meine nächste Umgebung genauso erkunden können? Und ja, ich mache auch gerne Urlaub in Deutschland. Letztes Jahr war ich 10 Tage in Mitteldeutschland unterwegs und hab so viel neues entdeckt, dass ich noch nicht kannte, obwohl es doch quasi “gleich ums Eck” liegt.

Ich muss sagen, dass diese Arroganz etwas ist, das mich auch an der Attitüde vieler Backpacker stört. Hey, wir REISEN, sind totaaaaaal individuell (klar, backpacking in Asien macht ja auch sonst keiner…) und ihr, ihr macht nur Urlaub. Pah.
Aha… Ja, ich mache auch Urlaub, auch wenn er zum Teil Backpacking-Tendenzen aufweist. Diese ständige arrogante Unterscheidung zwischen “Reisen” und “Urlaub machen” ist zum Teil echt albern. Genauso wie das prinzipielle Herabreden von organisierten Touren. Ja, wenn du eine gute organisierte Tour haben willst, bei der du nicht herumgehetzt wirst, sondern acuh Freiheit hast, musst du dich halt informieren vorher. Und mache wollen das vielleicht gar nicht so. Ist ja ihr gutes Recht, auch wenn ich es vielleicht nicht nachvollziehen kann. Muss ich ja auch nicht.

Gast
Liam
9 Jahre zuvor

Danke Lynn für diese wahren Worte :)
Sehe ich auch alles so, auch außerhalb von Blogs und Internet stelle ich diese Arroganz fest. Einfach jeder wie er will und mag und fertig. Und Europa ist sowieso der beste Kontinent (no I’m not biased ;) ).
Liam ;)

Gast
7 Jahre zuvor

Yay, endlich eine Gegenstimme zum Wahn ;)
Ich finde du hast dir ganz tolle Gedanken dazu gemacht. Bei mir z.B. ist es so, dass ich natürlich auch einmal gern eine Fernreise machen würde, bloß halt nicht allein. Ich suche mir da erst einmal noch eine anständige Begleitung und dann ist das alles auch schon mal viel besser… :)
Liebe Grüße und weiter so, Jean
http://jean-abovetheclouds.com