Rezension
Afrotopia – den Kontinent neu denken
Gut gesagt:
Eine Utopie zu begründen heißt gerade nicht, sich einer süßen Träumerei hinzugeben. Es geht vielmehr darum, Räume des Reellen zu konzipieren, die dann denkend und handelnd herbeizuführen sind; die Anzeichen und die ersten Keime dieses Reellen sind in der Gegenwart auszumachen, damit sie befördert werden können. Afrotopia ist eine aktive Utopie, die es sich zur Aufgabe macht, die gewaltigen Möglichkeitsräume innerhalb der afrikanischen Wirklichkeit aufzustöbern und sie fruchtbar werden zu lassen.
Afrotopia, Seite 14
Darum geht’s in Afrotopia:
Felwine Sarr, ein senegalesischer Schriftsteller und Professor für Wirtschaftswissenschaften in Saint-Louise, fordert nichts anderes als den Kontinent Afrika neu zu denken. Nach seinem gemeinsam mit Bénédict Savoy im Auftrag von der Emmanuel Macron verfassten Berichts, der die Rückgabe französischer Raubkunst nach Afrika beinhaltet, regt sein Werk Afrotopia zu einer weiteren Diskussionen über Afrika an.
Das es gewagt ist über einen ganzen Kontinent zu schreiben, ist Felwine Sarr dabei sehr bewusst. Er fordert nicht nur die wirkliche Entkolonisierung Afrikas, sondern beschreibt auch gleichermaßen eine Utopie für den Kontinent – Afrotopia. Es ist ein halbes Jahrhundert her, seit den Unabhängigkeiten der Kolonialmächte und damit ist es auch längst überfällig, vom kolonialen Blick und des auferlegten Entwicklungsweges des Westens wegzukommen.
Noch immer ist unser Denken über Afrika durch Stereotype geprägt. Es wird vom „Schwarzen Kontinent“, den „Elendsgebieten“ oder dem „Rohstofflager der Welt“ gesprochen, ohne sich bewusst zu machen, welche Kolonialen-Kontinuitäten damit aufrecht gehalten werden. Maßstäbe werden häufig mit einem westlichen Entwicklungsmodell gesetzt und unnötige Vergleiche zu anderen Teilen der Welt gezogen.
Felwine Sarr spricht sich für die Kulturrevolution Afrikas aus. Ein Afrika, welches sich auf sein kulturelles und geistiges Reichtum zurück besinnen sollte. Nach dem Autor wird es höchste Zeit, die verborgene Lebenskraft des Kontinents zu entdecken und das Zeitalter des Afrofuturismus einzuläuten.
Gefällt weil:
Felwine Sarr mit Afrotopia wirklich spannende, gute und vor allem neue Denkansätze liefert. Es ist gut, wenn ein Mensch aus Afrika über Afrika schreibt, denn viel zu oft wird über Afrika aus dem Westen geschrieben.
Nach wie vor finde ich es gewagt, eine Utopie über einen gesamten Kontinent zu schreiben. Felwine Sarr greift diese Kritik allerdings ebenfalls auf und liefert schlüssige Argumente, warum dies möglich ist. Am Ende würde ich Afrotopia auch mehr als Denkanstoß verstehen, mit dessen Input man selbst Schlüsse ziehen und auf spezifische Fälle beziehen kann.
Afrotopia richtet sich nicht ausschließlich an ein Fachpublikum, sondern kann meines Erachtens auch ohne spezielle Vorwissen von interessierten Menschen gelesen werden. Ich würde mir wünschen, dass das Buch zum Nachdenken anregt und die eine oder den anderen dazu motiviert, weitere Fragen zu stellen, Neugierig zu bleiben und sich dem Thema anzunähern.
AFROTOPIA
Afrotopia
Felwine Sarr
Übersetzt durch Max Henninger
176 Seiten | Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3957576774
20€ (D) über Amazon [Affiliate Link]
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.
Ich freue mich, einen weiteren Reiseblog gefunden zu haben, der sich auch ernsterer Themen annimmt, und nicht nur von Sonne und Strand schwärmt. Hut ab!
Vielen Dank für das Feedback, das freut mich sehr! Mir sind solche Themen sehr wichtig und ich habe ein ernsthaftes Interesse dahinter, sie einem breiten Publikum bekannt zu machen.