Dunkle Wolken ziehen auf. Im Hintergrund grummelt es immer mal wieder, ehe die ersten Blitze aufleuchten. Wir liegen in unserer kleinen Hütte auf dem Bett und beobachten das Schauspiel. Es herrscht eine elektrische Stimmung auf dieser kleinen Insel im Sambesi. Vor uns fließt dieser mächtige Strom. Gerade so kann ich noch die Schatten der Hippos ausmachen, die in ihm Ruhen. Auch sie sind aufgeregt. Ihre markanten Rufe hallen bis zu unserem Ufer. Willkommen auf Bovu Island.
Eine holprige Anfahrt nach Bovu Island
Africa is not for sissies, dieser Spruch wird einem wohl häufiger auf einer Reise nach Afrika begegnen. Und er bewahrheitet sich auch mal wieder, als wir nach Bovu Island fahren. Pünktlich werden wir von unserer Unterkunft in Livingstone (Sambia) abgeholt. Etwas überraschend ist der Bakkie, der uns sicher zum Ufer des Sambesi bringen soll. Der Fahrer fragt uns, ob wir vorne sitzen wollen, oder lieber hinten auf der Ladefläche. Für mich ist sofort klar, ich will hinten sitzen!
Ich genieße den Fahrtwind in meinen Haaren und das Holpern, während wir aus dem Ort heraus fahren. Gut eine Stunde fahren wir über die noch asphaltiere Straße, ehe wir plötzlich nach links abbiegen. Nichts deutet auf eine Lodge oder ähnliches hin, während wir auf der Sandpiste hin und her schaukeln. Wie lange die Fahrt dauern wird, wissen wir nicht. Mit leichten Sorgen beobachte ich den Himmel, der immer dunkler wird. Ob es heute wohl noch regnet?
Der heißeste Monat in Sambia
Was ich nicht weiß, Oktober ist der heißeste Monat in Sambia und wir stehen kurz vor der Regenzeit. Nach einer guten halben Stunde ist unsere holprige Fahrt vorbei. Die Landschaft ist karg. Man sieht ihr förmlich an, wie sie nach Regen lechzt. Sobald wir allerdings in die Nähe des Ufers kommen, wird es immer grüner. Der Sambesi ist eine lebenspendende Ader und Bovu Island liegt als grünes Paradies, mitten in ihr.
Im Mokoro über den Sambesi
Angekommen am Ufer des Sambesis wartet Gottfried auf uns. Er wird uns in einem Mokoro – dem landestypischen Einbaum – sicher nach Bovu Island bringen. Es ist erstaunlich, wie wir zu dritt mit all unserem Gepäck, Platz in diesem schmalen Boot finden. Das Gefühl so durch das Wasser zu gleiten ist einfach unbeschreiblich. Noch aufregender wird es, als Gottfried uns bestätigt, hier gebe es Hippos und Krokodile. Auch der immer dunkler werdende Himmel, verstärkt die angespannte Stimmung.
Trotzdem kann ich mein Glück kaum fassen, ich bin mitten auf dem Sambesi! Dieser Fluss ist für mich mit einem unglaublichen Gefühl verbunden. Hier wurde so viel Geschichte geschrieben und schon als kleines Kind, wollte ich ihn in echt sehen.
Die Gebäude auf Bovu Island fügen sich wunderbar in den Dschungel ein. Erst kurz bevor wir an Land kommen, sehe ich die erste Hütte. Hier werden wir dann auch so gleich von dem Besitzer in Empfang genommen und über alles wichtige aufgeklärt. Als wir unser Chalet gezeigt bekommen, bin ich ganz aufgeregt. Auf Stelzen thront es ein gutes Stück über dem Ufer. Wir haben direkt Sicht auf den Sambesi und ein paar Hippos kann ich auch erspähen.
Gewitter am Sambesi
Während wir uns in unserem Chalet auf Bovu Island einrichten, grummelt es immer mal wieder im Hintergrund. Es dauert nicht mehr lange, bis das Gewitter direkt über uns ist. Im Sekundentakt donnert und blitzt ist und ich bekomme ein Gefühl dafür, wie mächtig und ungebändigt die Natur hier am Sambesi ist.
Es soll noch die ganze Nacht immer mal wieder gewittern, stürmen und regnen. Ich bin gefangen in der Faszination über dieses Naturschauspiel, einem gewissen Schauer und der Gemütlichkeit, dabei in unserem großen Bett, so nah an der Natur zu liegen. Etwas zu viel wird es mir allerdings, als es auf einmal wirklich ordentlich rumst und der Blitzt darauf alles taghell erleuchtet. Was eine gewaltige Kraft sich dort entfesselt hat! Am nächsten Tag soll ich auch erfahren, wo der Blitzt eingeschlagen ist, davon später aber mehr.
Village Lunch
Am nächsten Morgen ist der ganze Spuk dann wieder vorbei. Ich erlebe einen wunderschönen Sonnenaufgang, den die Vögel mit einem herrlichen Konzert untermalen. Schon bald geht es zum Frühstück. Vorher genieße ich aber die wunderbare Dusche, unter freiem Himmel. Mama Alice zaubert Speck und Ei, als hätte sie nie etwas andere gemacht und ich verspeise es, als hätte ich lange nichts mehr zu essen bekommen. Was natürlich nicht stimmt, denn auch gestern Abend hat sie uns schon köstlich umsorgt. Untermalt wurde das Ganze von dem Besuch einer Ginsterkatze. Eine nachtaktive Schleichkatze, die ich vorher auch noch nie zu Gesicht bekommen hatte – toll!
Nach dem Frühstück holt mich Gottfried ab und zeigt mir sein Dorf. Zunächst fühle ich mich etwas unwohl, so als einzige Besucherin. Da ich mich aber ganz wunderbar mit ihm unterhalte, fühle ich mich schon bald mehr als Freund, statt als Eindringling.
Tatsächlich lassen sich im Dorf einige Unwetterschäden feststellen. Eine Frau wird noch den ganzen Vormittag damit beschäftigt sein, ihren Zaun wieder zu richten. Und ganz aufgeregt wird Gottfried, als er mir von dem Blitzeinschlag gestern Nacht erzählt. Untermalt von wilden Gesten macht er mehrmals das Geräusch nach und fragt mich, ob ich das auch gehört hätte. Natürlich, sowas Lautes kann man gar nicht überhören!
Umso geschockter bin ich allerdings, als ich den völlig zerstörten Baum sehe, wo der Blitz eingeschlagen ist. Außerdem erzählt Gottfried, dass eine Frau zum Zeitpunkt des Einschlags in ihrem Garten direkt daneben, zugange war. Sie ist immer noch völlig verängstigt und wird sich wohl auch länger nicht mehr alleine in ihren Garten trauen.Besuch der Schule und Kochen
Gottfried führt mich durch sein ganzes Dorf. Hier und dort stehen immer mal wieder versprenkelte Hütten. An die 100 Menschen – alles Verwandte – wohnen in seinem Dorf. In der Dorfmitte sitzen die Ältesten und hören der Musik aus einer der Lautsprecherboxen, zu. Immer wieder kreuzen Hühner, Ziegen und Kühe unseren Weg. Radfahrer radeln an uns vorbei, einige halten noch den Fang des Morgens in ihren Händen.
Auch die Schule darf ich besichtigen. Gerade ist Mittagspause und die LehrerInnen haben viel Zeit, meine Fragen zu beantworten. Sie leisten hier unglaubliches und haben tatsächlich seit einem Jahr kein Gehalt dafür bekommen. Auf meine erstaunte Frage, wie sie denn überleben, erklären sie, dass sie Essen von den DorfbewohnerInnen bekommen.
Etwas beschämt ertappe ich mich dabei, wie ich erwarte um Geld gebeten zu werden. Leider hab ich in Kenia die Erfahrung gemacht, bei solchen Besuchen nach Spenden gefragt zu werden. Ich kann es natürlich keinem verübeln, trotzdem fühle ich mich dadurch eher unwohl. Umso erfreulicher, dass ich beim gesamten Besuch nach nichts gefragt worden bin. Meinem vorgefertigtem Bild wurde hier ein ordentlicher Dämpfer verpasst und umso dankbarer bin ich deshalb diesem Besuch.
Nshima und Gemüse
Zusammen mit einer der Bewohnerinnen bereite ich den Lunch zu. Dafür schnippel wir allerhand Gemüse wie Spinat, Okra Schoten, Tomaten und Zwiebeln. Während meine Lehrerin sich unglaublich geschickt anstellt, stelle ich mich unglaublich doof an. Ich bin es einfach nicht gewohnt auf einer Bastmatte am Boden ohne Brett, mein Gemüse zu schnippeln. Irgendwann nimmt sie mir Kopfschüttelnd den Spinat aus der Hand. Während sie ihn wunderbar klein schnippelt erklärt sie mir, ich hätte ihn zu dick geschnitten. Mit einem Blick in die Schüssel kann ich ihr nur recht geben. Von nun an übernehme ich die Okra Schoten, die sich ähnlich wie kleine Pepperonis schneiden lassen.
Während das Gemüse vor sich hin köchelt, bereiten wir noch Nshima zu – den in fast ganz Afrika weit verbreiteten Maisbrei. Je dicker er wird, desto schwerer wird es, ihn umzurühren. Während ich mit anrühren beschäftigt bin, geht eine der älteren Damen vorbei. Ich verstehe zwar nicht den ganzen Satz, aber ganz eindeutig höre ich Mzungu raus. Ein weit verbreitetes Wort, für Weiße (wörtlich übersetzt bedeutet es eigentlich Unbeschnittene und wurde von den arabischen Händlern an der ostafrikanischen Küste eingeführt). Ich kann mir nur zu gut vorstellen, dass sie sich darüber amüsiert, wie ich Nshima zubereite.
Das Essen schmeckt ganz hervorragend. Auf offenem Feuer gekochtes schmeckt einfach immer noch mal anders und besonders, dabei haben wir nur Salz und Pfeffer als einzige Gewürze genutzt. Zum Essen kommen auch die Kinder der Frau und Gottfried. Zunächst kneten wir ein Stück Nshima in der rechten Hand, ehe man sich an den verschiedene Gemüsebeilagen bedient. Ich bin zwar nicht so geschickt dabei wie die anderen, aber ich esse unglaublich gerne mit der Hand. Manchmal denke ich Messer und Gabel entfremden uns von unserem Essen. Roh fassen wir doch auch alles mit den Händen an, warum dann nicht auch gekocht?
Nachdem Essen begleitet mich Gottfried zurück nach Bovu Island. Während wir das Dorf verlassen, stellt die Frau die letzte Latte ihres Zauns wieder auf. Sie hat den gesamten Vormittag daran gearbeitet…
Sundowner Cruise ohne Sonne
Den Nachmittag verbringen mein Freund und ich dann gemeinsam in unserem Chalet. Hier gibt es einfach so viel zu schauen! Die vielen bunten Vögel, die Hippos im langsam dahin gleitenden Sambesi und erst die ganze Insekten und Reptilien. Mir sind es zwar eindeutig zu viele Spinnen, aber damit muss ich eben im afrikanischen Busch rechnen.
Gegen späten Nachmittag holt mich Gottfried ein zweites Mal ab. Dieses Mal nehmen wir das Mokoro, um auf dem Fluss den Sonnenuntergang zu sehen. Mama Alice hat sogar Popcorn für uns gemacht und ich freue mich total über die Geste.
Leider sind schon wieder schwarze Wolken am Himmel aufgezogen, sodass mit Sonnenuntergang nicht viel ist. Umso mehr genieße ich allerdings die unglaubliche Stille auf dem Sambesi. Diese wird nur von den sanften Paddelschlägen von Gottfried unterbrochen. Auf einer kleinen Insel gehen wir an Land, essen das Popcorn und genießen die Szenerie. Als es wieder anfängt zu regnen, kehren wir um. Es ist immer noch feucht-schwül und ich beobachte fasziniert, wie die Regentropfen das helle braun des Mokoros langsam färben. Welch ein Wunder der Natur hier am Sambesi zu beobachten ist!
Auf Wiedersehen Bovu Island
Viel zu schnell ist unsere Zeit auf Bovu Island wieder vorbei. Am nächsten Morgen gibt es nochmal das herrliche Frühstück von Mama Alice, ehe wir uns von Flora, Fauna und unserem Chalet verabschieden. Kurz bevor wir das Mokoro zum letzten Mal besteigen, sehen wir noch einen riesigen Waran. Mit Schwanz kann diese Gattung bis zu 3 Meter erreichen, Wahnsinn!
Dieses Mal nehmen wir einen etwas kürzeren Weg und setzten direkt zum Dorf über. Dort erwartet uns wieder der Bakkie. Die Rückbank teilen wir uns dieses Mal mit vier anderen DorfbewohnerInnen, die die Gelegenheit nutzen, um schneller nach Livingstone zu kommen.
Stück für Stück kehren wir auch wieder zurück. Erst lassen wir Bovu Island hinter uns, dann den Sambesi und plötzlich befinden wir uns auch schon wieder auf der Teerstraße nach Livingstone.
Du hast auch Lust bekommen auf so ein Abenteuer auf Bovu Island? Dann findest du hier… mehr Infos dazu.
Hach, liebe Lynn, jetzt würde ich auch sofort gerne dieses Abenteuer erleben wollen.
Danke fürs Erzählen. ?
Beste Grüße
Anna
Sehr gerne. Sollen wir gleich zusammen ins Mokoro steigen und nach Bovu Island paddeln? ☺️
Viele liebe Grüße,
Lynn