Die Frau nebenan
„Die Affäre zog sich hin, und im Laufe der Jahre vermochte Hortensia kaum noch das Gute im Leben zu sehen. In einer kalten Kirche in London hatte sie ihm ihr Jawort gegeben. Er hätte derjenige sein sollen, der immer für sie da war, der sie, wenn nötig, auffing und der Fragen beantwortete, auf die sie von niemanden sonst eine Antwort bekam. Derjenige, dem sie auch das Unsagbare sagen, mit dem sie ihre Ängste teilen konnte. Doch sie blieb mit ihren Ängsten allein. Die Nacht ist der Prüfstein der Liebe. Tagsüber kann alles funkeln. Aber nachts – da wird die Menschlichkeit auf die Probe gestellt. Es war stets Nacht, wenn ihr klar wurde, wie verkommen und hässlich ihre Beziehung war.“
Darum geht´s in „Die Frau nebenan“
Hortensia und Marion leben beide in einem wohlhabenden Vorort in Kapstadt. Die eine ist schwarz und die andere weiß. Diese Kluft scheint unüberwindbar zwischen den beiden Frauen, zu stehen. Was sie eint ist ihre beeindruckende Karriere und der gemeinsame Hass aufeinander. Ein Zufall bringt die beiden zusammen. Wo zunächst mit Leidenschaft diskutiert wird, entdecken sie mehr und mehr Gemeinsamkeiten. Beide haben in ihrem Leben viele Zurückweisungen und Schicksalsschläge erleiden müssen. Und auch im Alter ist nicht immer alles einfacher.
Gefällt weil:
„Die Frau nebenan“ ein wahnsinnig vielseitiger Roman ist. Was in der Beschreibung nach wenig klingt, verbirgt unglaublich viel. Der Titel steht nicht nur für zwei Nachbarinnen, sondern auch für so viel mehr. Wie häufig leben wir neben unseren Mitmenschen her, ohne das wir uns für sie interessieren? Was sind ihre Beweggründe und was hat sie zu dem gemacht, wer sie heute sind? Autorin Yewande Omotoso spinnt ihren Roman eigentlich nur über wenige Wochen. Immer wieder gibt es allerdings Rückblicke, die dem Lesenden Hortensia und Marion immer näher bringen. Was zunächst nach einer seichten Geschichte klingt, entwickelt sich immer mehr und nimmt an Fahrt auf. Wie ganz nebenbei und doch geschickt eingefädelt, scheint immer wieder die Apartheid durch und Themen wie Rassismus und Landenteignung werden aufgegriffen. Dabei wird auch die eigene Weltanschauung in Frage gestellt. In einem Dialog neckt Hortensia Marion und fragt sie, ob sie auf Gordon stehe:
„Der erste Farbige, auf den Sie stehen?“
„Hortensia James, ich schätze es nicht -“
„Verschonen Sie mich Marion.“ Sie setzte ihren Weg fort.
„Ich betrachte ihn nicht als schwarz.“
„Natürlich nicht. Das macht Sie ja gerade zur Rassistin.“
Und schon hat Omotoso mich mit einem Dialog, zum Nachdenken angeregt. Warum sind wir so krampfhaft darauf bedacht, alle gleich zu betrachten? Natürlich sind wir alle Menschen. Aber sobald wir wie Marion in diesem Fall denken, spricht aus uns unsere weiße, eurozentristische Sichtweise. Die Welt ist bunt und als solche sollten wir sie auch betrachten.
Neben der kurzweiligen Geschichte der zwei alten Damen und der zum Nachdenken anregenden, unterschwelligen Botschaft, spricht auch die Autorin aus dem Buch. Ähnlich wie die Romanfigur Hortensia, hat auch sie in Nigeria gelebt und ist erst später nach Südafrika gezogen. Nicht selten fragt man sich als Leserin, wie viel Wahrheit wirklich in „Die Frau nebenan“ steckt.
Ich habe etwas gebraucht, um in den Schreibstil rein zu kommen. Allerdings hat sich das nach den ersten 2-3 Kapiteln gelegt. Danach hat sich „Die Frau nebenan“ für mich sehr flüssig gelesen. Eigentlich ist es auch eine Schande den Roman aus der Hand zu legen, man sollte ihn an einem Stück lesen, denn so entfaltet sich die Atmosphäre am allerbesten. Ich empfehle dieses Buch aus dem List Verlag nicht nur all denen, die sowieso immer Südafrika im Kopf haben. Sondern auch denen, die einen vielschichtigen Roman schätzen, der zum Nachdenken anregt, ohne allzu schwere Kost zu sein. Ich zumindest hoffe auf viele weitere Bücher von Yewande Omotoso, die bereits jetzt als wichtige neue Erzählstimme aus Afrika gehandelt wird.
Die Frau nebenan
Yewande Omotoso
Die Frau nebenan
272 Seiten | Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 13 9783471351444
18€ (D) über Ullstein Buchverlage
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.
Vielen Dank für diesen Tipp! Der Roman klingt richtig gut, möchte ich auch mal lesen. Südafrika schwirrt bei mir sowieso noch im Kopf herum (wohl noch eine ganze Weile. Warum nicht mit Büchern die Reise verlängern?)
Sehr gerne :) und Bücher sind dafür auch das beste Mittel