Eine kurze Begegnung – Über das Begehren einer Tokioter Mutter

Es ist nur ein flüchtiger Moment, eine kurze Begegnung, die alles ins Wanken bringt und Mizuki aus der Bahn wirft. Aber war vorher denn wirklich alles in Ordnung? Führte die Tokioter Mutter das Leben, welches sie sich erwünscht hatte? Oder ist ihre Welt schon vorher aus dem Ungleichgewicht gekommen und das Verlangen, der Spaß und die Vertrautheit, die bei der Affäre mit dem beinahe fremden Kiyoshi aufkommen, sind nur die spitze des Eisbergs. Diesen Fragen geht Emily Itami in ihrem äußerst menschlichen Roman “Eine kurze Begegnung” nach.

Eine kurze Begegnung von Emily Itami

Sein türkisfarbenes Shinkansen-T-Shirt hebt sich von den Farbtönen der Inneneinrichtung ab, und die Vorstellung, etwas so Kleines und Leuchtendes könnte glauben, die einzige Option für die Zukunft bestehe darin, ein Rädchen in dieser straff programmierten Maschine zu sein, lässt Tatsus riesiges Büro klaustrophobisch wirken. Keine Sorge, möchte ich ihn beruhigen, du kannst Bergsteiger werden oder Graffiti-Künstler oder Löwenbändiger.
Warum klingen all die anderen Optionen, die mir in den Sinn kommen, so unwahrscheinlich und vage bedrohlich?

Eine kurze Begegnung, Seite 223

Darum geht’s in Eine kurze Begegnung

Mizuki und Tatsu waren einst ein glückliches Paar mit allen Macken, die wir menschlichen Wesen nun mal so haben. Irgendwann jedoch schleicht sich der Alltag ein, sie bekommen zwei Kinder und Tatsu verfolgt seine Karriere so ambitioniert, dass er mit seinem Handy verwachsen scheint und eigentlich nur noch zum Schlafen nach Hause kommt. Mizuki wird in ihrer Rolle als Hausfrau zunehmend unglücklicher und Streit zwischen ihrem Mann und ihr steht an der Tagesordnung, wenn sie sich nicht gerade wieder anschweigen oder er auf der Arbeit ist.

In dieser emotionale Verfassung trifft Mizuki auf Kiyoshi. Es ist nur eine kurze Begegnung, die ihr beider Leben, und auch das ihrer Mitmenschen auf lange Sicht, ins Wanken bringt. Sie beginnen eine Affäre, die Mizuki aufblühen lässt. Gemeinsam erkunden die Zwei Tokio, aber auch ihr eigenes Verlangen und ihre Zukunftspläne. Irgendwann muss sich sowohl Mizuki, als auch Kiyoshi fragen, ob die beiden eine Zukunft haben können oder ihre Leben doch zu verschieden sind.

“Eine kurze Begegnung” ist in vielerlei Hinsicht ein intensiver und interessanter Roman, der tief geht und viele Fragen an die Gesellschaft stellt. Obwohl die Geschichte im quirligen Tokio angesiedelt ist, ist doch auch einiges auf unsere Gesellschaft zu übertragen. Dazu gehören die Erwartungen an Frauen, aber auch Männer, wie sich Kinder zu verhalten haben und welches Verständnis wir von Beziehungen haben.

Darüber hinaus erfährt man jedoch einiges über die japanische Gesellschaft, deren strengen Konventionen zwar einerseits für Halt sorgen, andererseits aber auch Käfige schaffen, die einige Menschen einengen und aus denen es sehr schwer ist, auszubrechen. Das geheimnisvolle und gigantische Tokio bietet dafür den perfekten Rahmen. Eine Stadt, in der Einsamkeit und Anonymität allgegenwärtig sind und wo es doch Historie und Gemeinschaft gibt.

Was mich überrascht hat ist, wie wenig die Affäre eigentlich im Vordergrund des Buches steht. Natürlich dreht sich darum die Geschichte und es trägt maßgeblich dazu bei, wie das Innenleben von Mizuki aussieht. Und dennoch geht es viel um Blicke in die Vergangenheit, die sie zu dem Menschen gemacht hat, der sie heute ist, genauso wie die Interaktion mit ihren Kindern und Tatsu. Aus alldem ergibt sich nach und ein Gesamtbild, welches Mizuki greifbar und ihr Handeln nachvollziehbarer macht.

Mir hat es viel Spaß gemacht “Eine kurze Begegnung” von Emily Itami zu lesen und so nicht nur einen Einblick in die Gefühlswelt eines Menschen zu bekommen, die so viel mehr als nur eine Mutter ist, sondern auch in die schillernde Metropole Tokio und japanische Traditionen und Konventionen.

Emily Itami
Eine kurze Begegnung
Übersetzt durch Melike Karamustafa
Gebundene Ausgabe
288 Seiten | ISBN:  978-3896677495
24€ [D] über Amazon [Affiliate Link]

Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.