Kreiseziehen – Über den Traum einer Frau vom Fliegen

Ein Hand hält den Roman Kreiseziehen von Maggie Shipstead vor eine hellblaue Wand

“Kreiseziehen” ist ein wunderbarer Roman über eine Frau Anfang des 20. Jahrhunderts, die nicht nur ein echter Wildfang ist sondern ihren Traum vom Fliegen verfolgt. Rund 100 Jahre später stößt die skandalumwitterte Schauspielerin Hadley Baxter auf die Pilotin Marian Graves und ist von ihrer Geschichte faszinierend. Ein Roman über Frauen, die sich keine Grenzen setzen lassen wollen und ihren Weg gehen.

Kreiseziehen
Maggie Shipstead

Werbung, da Rezensionsexemplar

Der flüchtige goldene Moment zwischen Nachmittag und Abend. Die Sonne steht friedlich am westlichen Horizont und wärmt den breiten, hellen Strand, die hölzerne Achterbahn und die palmengesäumte Promenade, die ordentlichen Reihen kleiner Häuser, die sich landeinwärts zwischen grünen Baumkronen erstrecken, Marian Graves, die auf dem Rücken im wuchernden Gras hinter dem gemieteten Bungalow liegt. Ein Buch, aufgeschlagen und umgedreht auf ihrem Bauch, das leere Tagebuch, das Matilda Feiffer ihr vor einem Jahr geschenkt hat. Ein Windhauch zerzaust ihr kurzes Haar, weich und fein und so hell, dass es fast grünlich wirkt, wie der Flaum im Inneren einer Artischocke.

Kreiseziehen, Seite 752

Darum gehts in Kreiseziehen

Ein Schiffsunglück zwingt die Geschwister Marian und Jamie Graves bei ihrem Onkel Wallace aufzuwachsen. Dort haben sie wenige Regeln zu befolgen und gerade Marian wächst als echter Wildfang auf. Während ihr Bruder eher still ist und das künstlerische Talent ihres Onkels geerbt zu haben scheint, verfolgt Marian ihren großen Traum, eines Tages selbst zu fliegen.

Ein reicher Geschäftsmann wird auf Marian Graves aufmerksam und finanziert ihr die ersten Flugstunden. Dabei ist es um die junge Frau geschehen, ihr Platz ist im Cockpit eines Flugzeugs. Gleichzeitig wird sie klar, dass sie aus dem Pakt mit Barclay Macqueen nicht so einfach wieder herauskommt. In ihr keimt der Wunsch endlich frei zu sein und als erste Person überhaupt die Erde in der Längsachse zu umrunden. 1950 ist es soweit und sie beginnt mit dem waghalsigen Abenteuer in Neuseeland. Alles sieht gut aus, bis sie in der Antarktis verschwindet und nur ihr Logbuch zurücklässt.

Rund 100 Jahre nach Marian Graves Geburt, findet der zweite Erzählstrang in “Kreiseziehen” statt. Die Schauspielerin Hadley Baxter rutscht von einem Skandal in den nächsten und ihre Karriere steht auf dem Kipppunkt. Wobei sie sich manchmal selbst nicht ganz sicher ist, ob sie das überhaupt noch möchte. Als letzte Chance bekommt sie die Rolle der Marian Graves in einem Spielfilm angeboten und ist fasziniert. Nicht nur, dass Hadleys Eltern bei einem Flugzeugunglück ums Leben kamen, es gibt noch mehr Parallelen zwischen der Pilotin und der Hollywoodschauspielerin.

Die Autorin Maggie Shipstead hat mit “Kreiseziehen” ein über 800 Seiten starken Roman erschaffen, der mitreißt, begeistert und mich am Ende beinahe atemlos zurücklässt. Geschickt verknüpft sie Vergangenheit und Gegenwart und arbeitet heraus, welchen vielfältigen Herausforderungen und Vorurteilen Frauen damals wie heute, begegnen mussten.

Sowohl Marian als auch Hadley sind Kinder ihrer Zeit, die sich durchkämpfen müssen, um ein halbwegs selbst bestimmtes Leben führen zu dürfen. Sie sind Spielball von anderen (vor allem Männern) und müssen sich immer wieder aufs Neue beweisen. Gerade bei Marian kommen historisch bedeutsam Ereignisse, wie der zweite Weltkrieg, dazu, die ihr Leben maßgeblich bestimmen.

Für mich hat sich der Klappentext von “Kreiseziehen” so gelesen, als würde man vor allem Hadley bei der Suche nach Spuren von Marian begleiten. Tatsächlich nimmt aber Marians Geschichte den größeren Teil im Roman ein und das ist auch gut zu so. Mir hat dieser Erzählstrang noch ein Stückchen besser gefallen und ich habe immer auf die Kapitel hingefiebert, wo es um Marian und ihre große Liebe geht.

“Kreiseziehen” ist ein Roman mit Sogwirkung, dem eine kurze Rezension beinahe nicht gerecht werden kann. Er hat so viel Tiefe, unterschiedliche und spannende Charaktere und zeugt von einer großartigen Autorin, die fesselnd schreibt, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren. Mir hat die Lektüre unheimlich viel Spaß gemacht und ich trauere immer noch ein bisschen dem Ende von “Kreiseziehen” nach, da das Buch für mich immer so hätte weitergehen können. Absolute Leseempfehlung von mir!

KREISEZIEHEN

Kreiseziehen
Maggie Shipstead
Übersetzung durch Harriet Fricke, Susanne Goga-Klinkenberg und Sylvia Spatz
Gebunden mit Schutzumschlag
864 Seiten | ISBN:  978-3423290203
28€ [D] über Amazon (Affiliate Link)


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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