Mein letztes Jahr der Unschuld – Zwischen Sehnsucht und Selbstfindung

Eine Hand hält das Buch "Mein letztes Jahr der Unschuld" gegen eine hellblaue Wand

Die Zeit zum Ende der beruflichen Ausbildung ist eine ganz besondere Umbruchsituation. Dies erlebt Isabel Rosen in “Mein letztes Jahr der Unschuld” am eigenen Leib. Irgendwo an der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein verbringt sie ihr letztes Semester am Wilder College. Alte Freundschaften zerbrechen, neue entstehen und dann begegnet sie auch noch einem äußerst charmanten Dozenten, welcher ihr das Gefühl gibt, talentiert und begehrenswert zu sein. Eine heimliche Affäre beginnt und Isabel muss in all diesem Wirrwarr ihre eigene Stimme finden.

Mein letztes Jahr der Unschuld von Daisy Alpert Florin

“Weißt du, warum ich nach Wilder kommen wollte?”, fragte ich.
“Keine Ahnung.”
“Weil es sein eigenes T-Shirt hat.”
“Die meisten Colleges haben ihre eigenen T-Shirts. Du hättest dir eine Menge Ärger ersparen können.”
“Yeah, aber es ist der einzige Ort, wo sie tatsächlich getragen werden. Als ich das erste Mal mit meinem Vater nach Wilder kam, hab ich all diese Kids in ihren Wilder-T-Shirts gesehen, und ich wollte dazugehören.”
“Ja und?”
“Also, ich finde es gar nicht so schlecht hier, verstehst du, Debra? Du redest ständig davon, Wilder zu verändern, willst es “bis auf die verdammten Grundmauern niederbrennen”, aber irgendwie liebe ich Wilder.”
“Ich auch.” Ich sah sie an. “Nein, wirklich. Was ich hasse ist, dass es sich so anfühlt, als würde es uns nie wirklich gehören. Ich dachte, hier zu studieren würde bedeuten, gleichberechtigt zu sein, aber in Wirklichkeit ist es ihr Revier, und wir spielen nach ihren Regeln.”

Mein letztes Jahr der Unschuld, Seite 263

Darum geht’s in Mein letztes Jahr der Unschuld

Isabel hat sich in ihrem letzten Semester am College ganz besonders auf den Kurs ihrer Lieblingsdozentin in Kreativem Schreiben gefreut. Ausgerechnet die kann jedoch nicht unterrichten, da sie sich mit ihrem baldigen Ex-Mann einen absoluten Rosenkrieg leistet, der ganz Wilder in Atem hält. Zum Glück ist mit dem faszinierenden und charmanten R. H. Connelley ein Ersatz gefunden, der auch über den Unterricht hinaus Interesse an Isabel gefunden zu haben scheint. Er schmeichelt ihr mit Worten und seiner Aufmerksamkeit und schnell entlädt sich die zwischen ihnen aufgeladene Energie in einer heißen Affäre. Diese darf jedoch unter keinen Umständen sein Büro verlassen, denn Isabel ist nicht nur seine Schutzbefohlene und deutlich jünger, Connelley ist auch noch ein verheirateter Mann!

Wenn man die Inhaltbeschreibung zu “Mein letztes Jahr der Unschuld” so liest, könnte man schnell den Eindruck gewinnen, es handle sich um einen seichten Coming of Age Roman, welcher mit wohl dozierter Erotik die Leser*innen bei Stange hält. Ich finde allein das Cover lässt jedoch erahnen, dass man es bei Daisy Alpert Florins Roman mit einem weitaus tiefgründigeren Roman zu tun haben könnte und so entspannt sich zwischen den über 300 Seiten eine vielschichtige Erzählung, die zu fesseln versteht.

“Mein letztes Jahr der Unschuld” zeigt die Unsicherheit, aber auch Stärke, die in einer jungen Frau liegt, welche am Ende ihrer schulischen Ausbildung steht und dabei ist, sich selbst zu entdecken. Gleichermaßen wirft er natürlich die Frage nach Consent und Verantwortung auf, ohne sie final klären zu können. Gerade im universitären Kontext sind Studierende oftmals von männlichen Gatekeepern abhängig, die über ihr Fortkommen entscheiden. Interessant finde ich hierbei jedoch zu ergründen, ob sich über die Zeit nicht auch die Beurteilung einer Situation verändern kann. Was Isabel im Zusammensein mit Connelley als einvernehmlich vorkommt, könnte im Rückblick auf die Situation durch sie auch anders gewertet werden.

Wie im Zitat weiter oben deutlich wird, geht es in “Mein letztes Jahr der Unschuld” auch um Klassenzugehörigkeit und wie schwer der Aufstieg in einer Gesellschaft mit “Gläserner Decke” ist. Ebenso interessant fand ich die Einblicke in die Ausbildung zur Schriftsteller*in und das Aufwachsen als Jüdin in New York. Und auch wenn die Autorin viele verschiedene Themen anspricht, bleibt der Roman doch ein durchaus sehr rundes Werk, welches erst dadurch so richtig interessant und ein echter Pageturner wird.

Mir hat “Mein letztes Jahr der Unschuld” ausgesprochen gut gefallen und ich habe es mit großem Interesse gelesen. Ein spannender Roman für das Frühjahr 2024, welcher uns, wenn schon nicht in die eigene Jugend, dann immerhin in eine Zeit ohne Handys und Internet versetzt.

Daisy Alpert Florin
Mein letztes Jahr der Unschuld

Übersetzt durch pociao und Roberto de Hollanda
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag
336 Seiten | ISBN: 978-3961611867
24€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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