Das Unsichtbare Band – Ein Emanzipationsroman aus dem Libanon

Eine Hand hält das Buch "Das Unsichtabre Band" von Haneen Al-Sayegh gegen eine hellblaue Wand.

Ich habe den bisher nicht öffentlich geäußerten Wunsch in mir, aus jedem Land der Erde ein Buch zu lesen. Schnell stoße ich da allerdings an sprachliche Grenzen und mit Sicherheit auch geopolitische, denn so vieles wird nicht ins Deutsche oder auch Englische übersetzt, weil es vermeintlich keinen Markt dafür gibt. “Das Unsichtbare Band” der libanesischen Autorin Haneen Al-Sayegh ist dabei eine äußerst willkommene Überraschung, bietet es doch einen spannenden Einblick nicht nur in den Libanon, sondern auch in das Leben der sehr verschlossenen Religionsgemeinschaft der Drusen. Eine absolute Leseempfehlung, nicht zuletzt, weil das Buch auf eine gute Art herausfordernd ist und auch die Liebe nicht zu kurz kommt.

Das Unsichtbare Band von Haneen Al-Sayegh

Ich musste lachen. “Raus aus der Ehe? Dir ist schon klar, dass das Wort Scheidung in Papas Wörterbuch nicht vorkommt! Außerdem habe ich keinen zwingenden Grund, beim drusischen Gericht um eine Scheidung zu bitten.”
“Wie erbärmlich dieser Satz ist. Weißt du, dass die meisten Scheidungen in Amerika eingereicht werden, weil die Ehepartner aufgehört haben, sich zu lieben? Dafür gibt es sogar eine idiomatische Wendung: They fell out of love.”
“Wenn das auch hier ein Scheidungsgrund wäre, würde keine Frau mehr bei ihrem Mann bleiben”, sagte ich mit einem Augenzwinkern.

Das Unsichtbare Band, Seite 125

Darum gehts in Das Unsichtbare Band

Amal wächst in einem Bergdorf im Libanon auf. Sie und ihre Familie gehören der Religionsgemeinschaft der Drusen an, die durch ein strenges Patriachat geprägt ist und kaum Schulbildung für Mädchen zulässt. Ein Glück, dass die Mutter mit dem Backen von Brot etwas Geld verdient und so Amal zur Schule schicken kann. Mit 15 Jahren muss sie jedoch das Elternhaus verlassen, denn sie wird von ihrer Familie an den älteren Geschäftsmann Salem verheiratet. Zwar gesteht ihr Mann zunächst zu, die Schule zu beenden und widerwillig auch ein Studium zu beginnen, einfach ist es für die wissbegierige junge Frau dennoch nicht. Gefangen zwischen den Traditionen ihrer Heimat und dem studentischen Leben in Beirut, wächst Amals Wunsch nach einem selbst bestimmten Leben. Als sie sich unerwartet in einen muslimischen Mann verliebt, muss sie eine folgenschwere Entscheidung für sich und ihre eigene Tochter treffen.

“Das Unsichtbare Band” ist ein äußerst berührender Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Auch mit etwas Abstand sind mir die Inhalte noch äußerst präsent und er hallt nach. Gerade durch die autobiografischen Anklänge der Autorin Haneen Al-Sayegh bekommt das Buch viel Tiefe und Emotionalität. Obwohl viele Themen mich betroffen und vielleicht auch ein wenig wütend gemacht haben, findet sich zwischen den Seiten des Romans auch immer wieder Liebe und Geborgenheit. Die Geschichte Amals macht Mut, sich für ein selbstbestimmtes Leben einzusetzen und dies gleichermaßen für Frauen weltweit einzufordern. Denn unser feministischer Kampf in Deutschland ist ein bequemer, der keinerlei Repressalien durch den Staat zu befürchten hat. Anders als in anderen Staaten weltweit.

Wenn du dich für feministische Themen und einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus interessierst, dann ist “Das Unsichtbare Band” dein Buch. Der Erzählstil ist flüssig und hat dazu geführt, dass ich die Geschichte in wenigen Stunden verschlungen habe. Hoffentlich bleibt es nicht der letzte Roman der libanesischen Autorin!

Haneen Al-Saygeh
Das Unsichtbare Band
Übersetzt durch Hamed Abdel-Samad
Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag
336 Seiten | ISBN: 978-3423283984
24€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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