Rezension
Ministerium der Träume
Werbung, da Rezensionsexemplar
Was Queerness bedeutet, habe ich ihr erst im Auto erklärt, das ist vielleicht zwei Stunden her, genug Zeit für sie, meine eigenen Waffen gegen mich zu nutzen.
Ministerium der Träume, Seite 292
Sie lässt mich gar nichts erst darauf antworten – wozu auch, ihre Frage war rhetorisch – und setzt gleich hinterher: „Weißt du, Nas, es gibt uns nicht nur in Berlin. Und auch nicht nur im fortschrittlichen Almanya. Wir kennen vielleicht nicht alle Labels, die ihr euch verpasst, aber wir existierten schon lange bevor es eine Sprache für uns gab.“
Als es an Nasrins Tür klingelt wird für sie der Albtraum wahr, denn vielleicht viele von uns fürchten. Es ist die Polizei dir ihr mitteilen muss, dass ihre Schwester Nushin bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Aber war es wirklich ein Unfall? Nas ist sich sicher, kein Mensch kennt ihre Schwester besser als sie selbst und an einen Unfall zu glauben, fällt ihr schwer.
Neben dem Umgang mit der eigenen Trauer, muss sie sich nicht nur mit ihrer Mutter auseinandersetzten, sondern erhält auch überraschend das Sorgerecht für ihre Nichte Parvin. Kurzerhand vermietet Nas ihre Wohnung unter und zieht zu Parvin. Stück für Stück macht sie sich auf die Suche, um Nushins Leben zu rekonstruierend. Dabei taucht sie tief in die Vergangenheit ein und muss schnell akzeptieren, dass ihre Schwester vielleicht doch mehr Geheimnisse vor ihr hatte, als es ihr bewusst war.
Die Worte von anderen Rezensent:innen zu nutzen, mag vielleicht plump erscheinen, umgekehrt finde ich kaum bessere Worte, um „Ministerium der Träume“ zu beschreiben, als Alice Hasters. Sie schreibt über den Roman: „Henegameh Yaghoobifahra packt den Kopf so voll mit Bildern und das Herz mit Gefühlen, dass man es kaum aushält.“
Das ist nur so treffend wie sonst irgendwas. „Ministerium der Träume“ ist eine Achterbahnfahrt der Gefühl, die so rasant ihre Richtung ändern können, dass man bisweilen beim Lesen atemlos zurückbleibt und erstmal durchatmen muss.
Der Roman behandelt viele unterschiedliche Themenfelder, die losgelöst voneinander schon ordentliche Herausforderungen sind. Ganz offensichtlich ist es da natürlich die Trauer. Ob Suizid oder doch ein Unfall, wenn junge Menschen aus dem Leben gerissen werden, hinterlassen sie bei ihren Angehörigen ein tiefes Loch. Da ist aber auch die Frage nach der eigenen Familie. Wie viel Familie können wir wählen? Wie viel ist Zwang davon? Und nicht zuletzt die Migrationsgeschichte der Mutter und die Queerness der Tochter.
All das entwickelt in „Ministerium der Träume“ einen Sog aus Emotionen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Mir hat die Lektüre sehr gut gefallen und ich wurde in ihren Bann gezogen. Sie lädt zum Nachdenken an, offenbart subtile Diskriminierungen und konfrontiert die Leser:innen vielleicht auch mit den eigenen Vorurteilen und Schubladendenken.
„Ministerium der Träume“ ist ein Buch, um welches man in diesem Jahr nur schwer drumherum kommt und erhält auch von mir eine absolute Leseempfehlung.
MINISTERIUM DER TRÄUME
Ministerium der Träume
Hengameh Yaghoobifarah
384 Seiten | Gebundene Ausgabe
ISBN: 978-3-351-05087-0
22€ (D) über Aufbau Verlag
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.
[…] “Schwindel” ist ein unterhaltsamer und gut zu lesender Roman. Zwar knüpft es für mich nicht ganz an den ersten Roman von Hengameh Yaghoobifarah an, allerdings muss es das Buch natürlich auch gar nicht. Es ist nah am Leben dran und gibt Einblicke in die vielen Facetten menschlichen Lebens. Die Besprechung zu Hengameh Yaghoobifarahs ersten Roman “Das Ministerium der Träume”, findest du hier. […]