Mojisola weint nicht – Oder: Wie geht man mit einem unbegreiflichen Verlust um?

Eine linke Hand hält das Buch "Mojisola weint nicht" von Yewande Omotoso gegen eine hellblaue Wand.

In ihrer Trauer und Schuldgefühlen gefangen, reist Mojisola nach Johannesburg. Sie, eine nigerianische Einwanderin in Südafrika, möchte in der Wohnung ihrer Tochter Yinka mehr über die Hintergrunde des Suizids ihres einzigen Kindes erfahren. Mojisola lässt ihren untreuen Ehemann in Kapstadt hinter sich und setzt nun Bruchstückhaft das Leben ihrer Tochter zusammen. Dabei hilft ihr die etwas eigenartige Vermieterin Zelda, Yinkas Handy und die Erkenntnis, dass in all der Dunkelheit um ihre Tochter auch viel Unerwartetes für Mojisola steckt und ihr einen neuen Lebensmut geben kann. “Mojisola weint nicht”, ist ein harter Roman, der trotzdem mit Humor und lebensbejahenden Momenten nicht geizt und absolut lesenswert ist.

Mojisola weint nicht

Vermisse ich sie? Sie fehlt mir nicht allein jetzt, ich vermisse sie für die Abwesenheiten, die noch auf mich zukommen.

Mojisola weint nicht, Seite 65

Darum geht’s in Mojisola weint nicht

Mojisolas Tochter Yinka hat Suizid begangenen und auch wenn dies das zentrale Thema in Yewande Omotoso’s neuem Roman “Mojisola weint nicht” (Originaltitel: “An Unusual Grief”) ist, geht es viel mehr um die Trauer der Mutter und den Umgang mit dem Verlust, als der eigentlichen Tat und was dazu geführt hat. Natürlich hat Mojisola viele Fragen und stürzt sich in die Vergangenheit der Tochter. Je mehr sie jedoch über das ihr unbekannte Leben der Tochter erfährt, desto mehr lernt sie auch über sich selbst und entwickelt in all der Verzweiflung auch einige neue Idee für ihren eigenen Lebensweg.

Ohne zu viel zu verraten, beinhaltet dieser Wandel von Mojisola auch eine Art sexuelle Befreiung, die ich definitiv nicht erwartet hätte. Dadurch wurde dem Roman, zumindest für mein Empfinden, etwas die Schärfe genommen und das schwere Thema würde erträglicher. Auch die Begegnungen mit der Vermieterin Zelda und anderen Hausbewohner*innen sorgen für Unterhaltung. Denn gemeinsam mit Zelda, erlebt Mojisola so etwas wie einen zweiten Frühling. Mehr kann und mag ich an dieser Stelle nicht verraten, sondern dir diesen äußerst tiefgründigen Roman ans Herz legen. Ich habe “Mojisola weint nicht” in wenigen Stunden verschlungen, habe mir kluge Sätze aufgeschrieben, weil sie so schrecklich-schön waren, und bin ins Nachdenken gekommen.

Der Roman von Yewande Omotoso beschäftigt sich zwar mit dem Thema Suizid, aber ihn nur darauf zu reduzieren ist zu wenig. Es geht um Freundschaft zwischen unterschiedlichen Menschen, eine Mutter-Tochter-Beziehung, das Auswandern in ein anderes Land, das Entdecken und Ausleben von sexuellen Bedürfnissen und eine langjährige Partnerschaft, wo nicht nur die Kommunikation eingeschlafen ist. Auch wenn das etwas viel für ein Buch wirkt, hat die Autorin all das fabelhaft in eine Geschichte mit rotem Faden verwoben. Was alles verbindet ist, dass es sich im weitesten Sinne um zwischenmenschliche Beziehungen handelt. Und wenn man eine Sache durch “Mojisola weint nicht lernt”, dann das Beziehungen gepflegt werden müssen, genauso wie die vielleicht wichtigste von allen, die Beziehung zu einem selbst.

Zu guter Letzt finde ich es wichtig, das über Suizid geschrieben wird. Es wird wenig in unserer Gesellschaft darüber gesprochen (was ich grundsätzlich nachvollziehen kann), ja, es scheint mir sogar fast ein Tabu zu sein. Dabei gibt es in unser aller Umfeld sicherlich Berührungspunkte mit dem Thema Suizid und umso wichtiger ist es zu sehen, keine*r muss damit allein sein. An dieser Stelle auch den Hinweis auf die TelefonSeelsorge, falls du Suizidgedanken hast oder es dir allgemein nicht gut geht. Die Hotline ist 24 / 7 unter 0800 1110111 zu erreichen.

Mit “Die Frau nebenan” ist bereits vor ein paar Jahren eine Rezension hier auf meinem Blog über ein Buch von Yewande Omotoso erschienen. Schon damals war ich begeistert von dem Schreibstil der Autorin und die klug beschriebenen Dynamiken in Südafrika, die sie behandelt hat. Mit “Mojisola weint nicht” hat sie in meinen Augen aber auch nochmal einen drauf gelegt. Absolute Leseempfehlung für alle, die sich stabil genug fühlen, über Suizid und Trauer zu lesen.

Yewande Omotoso
Mojisola weint nicht

Übersetzt durch Thomas Brückner
Taschenbuch
297 Seiten | ISBN: 978-3949554131
24€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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