Unterwegs zwischen Grenzen – über Europas Minderheiten

Eine Hand hält das Buch Unterwegs zwischen Grenzen von Ralf Grabuschnig gegen eine hellblaue Wand.

Hast du schon mal von Siebenbürger Sächs*innen oder Sorb*innen gehört? Beides sind Minderheiten in Europa, deren Namen vielleicht nicht gänzlich unbekannt sind und doch mit viel Unwissenheit verbunden sind. In seinem Buch “Unterwegs zwischen Grenzen” macht sich der Autor Ralf Grabuschnig auf den Weg zu Minderheiten in Europa und reist ausgehend von der (ehemals) slowenisch sprechenden Gemeinschaft in seiner Heimat Österreich, einmal quer durch den Kontinent. Eine spannende Spurensuche, die sich nicht nur auf historischen Begebenheiten, sondern auch auf äußerst lebendigen Traditionen stützt.

Unterwegs zwischen Grenzen
Europas Minderheiten im Schwitzkasten der Nationen

Aber Grenzen existieren nicht nur auf Karten. Sie existieren vor allem in Köpfen! So wird dieses Gefühl des Nichtdazugehörens nur noch deutlicher, wenn man mit den versteckten Mitgliedern unserer Gesellschaft spricht. Wenn man sich mit Menschen unterhält, die nicht im herkömmlichen Sinne als “Fremde” oder als Mitglieder eine Minderheit gesehen werden, die aber doch nicht so recht ihren Platz in unseren gemütlichen Nationalstaaten eingenommen haben; die von diesen ach so gemütlichen Nationen stattdessen immer wieder in den Schwitzkasten genommen werden.

Unterwegs zwischen Grenzen, Seite 85

Darum geht’s in Unterwegs zwischen Grenzen

In Ralfs Umfeld gibt es ein Geheimnis. Aufgewachsen in einem Dorf in Kärnten, in dem vor wenigen Generationen noch slowenisch gesprochen wurde, stellt er sich der Frage, weshalb davon heutzutage keine*r mehr etwas wissen möchte. Worauf er stößt ist Angst, Assimilation und Demütigung. Ausgehend von dieser Erfahrungen, macht sich Ralf auf die Spurensuche nach Minderheiten inmitten von Europa und verlässt seine bequeme Komfortzone als Teil der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft. Über allem dem hängt die Frage, was ist Zugehörigkeit und wer definiert sie auf welche Art und Weise?

Seine Reise führt Ralf ins Siebenbürgen nach Rumänien, er spricht mit Jenischen in Österreich, reist in die Lausitz nach Deutschland, um den Sorb*innen zu treffen, und bringt ihn über die Schweiz zurück nach Kärnten. Herausgekommen ist mit “Unterwegs zwischen Grenzen” ein interessanter Bericht über Minderheiten, die im öffentlichen Diskurs nur selten zu Wort kommen und Gehör finden, und gleichermaßen ihre lebendige Tradition pflegen und für ihre Rechte einstehen.

Gepaart werden die Anekdoten, wie sollte es auch anders sein für einen Historiker, mit interessanten geschichtlichen Hintergrundinformationen. Somit wird mit diesem Reisebericht auch der Bildungsauftrag erfüllt und zum Glück schafft Ralf es diese Informationen absolut nicht dröge zu verpacken. Seine Fußnoten stimmen manchmal nachdenklich, meistens jedoch laden sie zum Schmunzeln ein. Besonders gut gefällt mir auch seine politische Positionierung z.B. gegenüber der katholischen Kirche oder Nationalisten und rechtem Gedankengut. Da fühlt man sich beim Lesen wie in einem kleinen Safe-Space.

Da das Buch mit rund 150 Seiten nicht sonderlich lang ist, ist es ein guter Einstieg um sich mit Minderheiten in Europa zu beschäftigen. Wer sich mit der Thematik schon etwas auskennt, wird sicherlich die unterhaltsamen Erzählungen von Ralf schätzen, vielleicht aber nicht unbedingt viel Neues lernen. Mich hat es jedoch auf jeden Fall dazu angeregt, die Sprache der Sorb*innen und das Jenische mir mal bei Youtube anzuhören (keine Chance, etwas zu verstehen) und ich möchte gerne mal in die Lausitz fahren und mit offenen Augen durch die Region reisen.

Zu guter Letzt interessiert mich natürlich brennend die Frage, Ralf, hast du eine Antwort auf deine Fußnote auf Seite 104 erhalten? Lass doch gerne ein Kommentar da oder schreib mir eine Mail. Ralf ist übrigens nicht nur Autor und Historiker, sondern auch Podcaster. Hier geht’s zu seinem Podcast Déjà-vu Geschichte.

Zwar kann ich auf diesem Blog nicht mit Kärnten dienen, wenn dich allerdings Slowenien interessiert, gibt es hier… einige spannende Artikel.

Ralf Grabuschnig
Unterwegs zwischen Grenzen

Europas Minderheiten im Schwitzkasten der Nationen
Taschenbuch
152 Seiten | ISBN: 978-3756885909
19,95€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Autor zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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2 Kommentare
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Gast
9 Monate zuvor

Vielen lieben Dank für die tolle Rezension! :)

Bisher habe ich eine Antwort auf die Frage erhalten. Ein Leser wies mich auf den Film “Irgendwo in Idaho” hin und schrieb: “Ich bin überzeugt davon, würde Martin Luther noch leben, würde im Fall der Fälle mit dem Auto dorthin fahren und das letzte Apfelbäumchen pflanzen.”

Love it 😄