Das Glück hat seine Zeit – Gefangen in Nigerias politischem Machtstrudel

Eine Hand hält den Roman "Das Glück hat seine Zeit" von Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ gegen eine hellblaue Wand

„Das Glück hat seine Zeit“ von Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ ist für den Booker Prize 2023 nominiert

In welche Lebensumstände wir hineingeboren werden, ist ganz entscheidend dafür, wie unser späterer Lebensweg vorgezeichnet ist. Das Wohlstand aber nicht immer glücklich machen muss und Armut eine riesige Herausforderung ist, zeigen die beiden Protagonist*innen in Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ Roman „Das Glück hat seine Zeit“.

Wuraola scheint alles im Leben zu haben, sie ist Ärztin, frisch verlobt und kommt aus einem reichen Elternhaus. Als ihre Familie in den Sog rund um Wahlen und Kommunalpolitik gerät, bröckelt die Fassade und endet in einem gefährlichen Showdown. Eniola hingegen muss sich durchkämpfen. Seit der Vater den Job verloren hat, ist er in Depressionen verfallen und die Familie hält sich kaum über Wasser. Wie vermeintlich praktisch, dass Eniola für sein Alter sehr groß ist und andere Jugendliche kennt, die gelegentlich für den amtierenden Honorable arbeiten. Auf tragische Art und Weise kreuzen sich schon bald die Wege von Wuraola und Eniola.

Das Glück hat seine Zeit

Werbung, da Rezensionsexemplar

Nachdem der Vermieter gegangen war, herrschte Stille im Raum.
Eniolas Mutter erhob sich, schloss die Tür und blieb mit der Hand auf dem Türknauf dort stehen. „Morgen früh gehen wir betteln.“
„Was hast du gesagt?“, fragte Eniola.
Ohne sich umzudrehen, wiederholte ihre Mutter: „Morgen früh gehen wir betteln.“

Das Glück hat seine Zeit, Seite 245

Seitdem ich in London am Flughafen vor einigen Jahren über Ayọ̀bámi Adébáyọ̀s Buch „Stay With Me“ gestolpert bin, bin ich ein großer Fan der nigerianischen Autorin. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ihr neuer Roman „Das Glück hat seine Zeit“ im Piper Verlag erschienen ist. Das Buch bietet spannende Einblicke in die zerrissene Gesellschaft Nigerias und wie politische Ambitionen und Macht ganze Familien sprengen können. Darüber hinaus stellt die Autorin mit ihrem Roman allerdings auch die Frage, was individuelles und kollektives Glück ist und was es braucht, um glücklich zu sein.

Eindrücklich zeichnet sie mit der Figur von Wuraola, wie sich eine toxische Beziehung entwickeln kann und das Wohlstand nicht vor Enttäuschungen schützen kann. Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ zeigt immer wieder, was intersektionale Diskriminierungen sind, ohne den Begriff zu nutzen. Eniola ist als junger Heranwachsender dank seiner Körpergröße privilegiert und wird gleichzeitig durch seine Armut diskriminiert und an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Wuraola hat nach außen hin ein privilegiertes Leben und wird als Frau dennoch in ihre Schranken gewiesen. Spannende Kontraste, die in dem Roman aufgemacht werden!

Insgesamt habe ich die Lektüre von „Das Glück hat seine Zeit“ sehr genossen und die Seiten sind nur so gepurzelt. Dennoch kann der Roman für mich nicht an seinen Vorgänger anschließen. Zum Ende hin war mir die Erzählung zu schnell und beinahe etwas zu oberflächlich. Dabei sind auf den vorherigen Seiten die Protagonist*innen in so vielen Facetten dargestellt werden. So habe ich eher den Eindruck gewonnen, die Autorin müsse den Roman jetzt irgendwie zu Ende stellen. Im Gegensatz dazu war „Stay With Me“ knapper und rasanter erzählt.

Nichtsdestotrotz hat Ayọ̀bámi Adébáyọ̀ ein spannendes Buch geschaffen, dass man sowohl mit geo-politischen Interesse, sowie auch als reinen Unterhaltungsroman lesen kann. Keine der vorkommenden Protagonist*innen ist nur schlecht oder nur gut. Diese Vielschichtigkeit gefällt mir und ich bin gespannt, was wir in der Zukunft noch von der Autorin erwarten dürfen.

Ayọ̀bámi Adébáyọ̀
Das Glück hat seine Zeit

Übersetzung durch Simone Jakob
Gebunden mit Schutzumschlag
496 Seiten | ISBN: 978-3492071468
26€ [D] über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Stöbern und Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen reist nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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