Eine Allgemeine Theorie des Vergessens

Cover des Buches Eine Allgemeine Theorie des Vergessens

Eine Allgemeine Theorie des Vergessens
Rezension

Gut gesagt:

Wolken kreisten die Stadt ein wie Quallen.
Zumindest für Ludo sahen sie wie Quallen aus.
Die Leute sehen in Wolken nicht deren Form, die ja keine ist, oder jede beliebige sein kann, weil sie sich ständig verändern. Sie sehen, wonach sich ihr Herz sehnt.
Das Wort Herz mögen Sie nicht?
Nehmen Sie einen anderen: Seele, das Unterbewusste, Fantasie, was Sie wollen. Es gibt dafür keinen genauen Begriff.

Eine Allgemeine Theorie des Vergessens, Seite 64

Darum geht’s in Eine Allgemeine Theorie des Vergessens

Ludovica geht nicht gerne aus dem Haus, geschweige denn das sie allein leben möchte. Trotzdem zieht sie schweren Herzens mit ihrer Schwester und dessen Man von einer Kleinstadt in Portugal nach Luanda in Angola. Dort gerät sie in die Turbulenzen der angolanischen Unabhängigkeitsrevolution.

Über Hals und Kopf flieht Ludovicas Schwester samt Ehemann und lässt die verängstigte junge Frau allein zurück. Bald folgen seltsame Telefonanrufe, die ominöse Steine von des Schwester Mannes fordern. Als dann auch noch Einbrecher versuchen in die Wohnung einzubrechen, gehen die Nerven mit Ludovica durch und sie erschießt einen der Einbrecher.

Daraufhin mauert sie die Wohnungstür zu, vergräbt den Toten auf der Dachterrasse und verlässt das Apartment 30 Jahre nicht mehr. Die Welt vor ihrem Haus verändert sich im Zuge der Unabhängigkeit, aber Ludovica bekommt davon nur Ausschnitte mit. Täter und Opfer der Revoultion verstricken sich in oftmals bizarre Verwicklungen, während Ludovica fantasievoll ihr Überleben sichert.

Die Geschichte klingt zu unglaublich, um wahr zu sein? Tatsächlich hat der Autor José Eduardo Agualusa durch Briefe und Tagebucheinträge rekonstruiert, um die unglaubliche Geschichte von Ludovica Esteváo Capitango nachzuzeichnen und der Allgemeinheit gültig zu machen. Im Alte rvon 85 Jahren verstab die Dame, deren Lebensgeschichte in diesem wundervollen Roman festgehalten worden ist.

Gefällt weil:

Eine Allgemeine Theorie des Vergessens einen wichtigen historischen Rückblick liefert, erzählt durch eine Geschichte, die so fantastisch ist, dass sie nur das Leben schreiben kann. Neben der schmerzvollen Erzählung einer jungen Frau, liefert Eine Allgemeine Theorie des Vergessens ebenfalls einen Einblick in die Revolution Angolas und die daraufhin folgende Unabhängigkeit.

Der Autor José Eduardo Agualusa verstrickt auf den nicht ganz 200 Seiten geschickt verschiedene Akteure der Revolution, die nicht selten im Laufe der Zeit die Rollen wechseln. War der eine zu Beginn des Konflikts noch Gewinner, sah das nach 30 Jahren ganz anders aus. Immer wieder wird der Lesende überrascht, von den Handlungsfäden, die verknüpft worden sind und durch Charaktere, die unerwartet wiederauftauchen.

Die Geschichte Angolas ist für mich ein weißes Blatt und aus diesem Grund wird Eine Allgemeine Theorie des Vergessens zu einer wertvollen und unterhaltsamen Geschichtsstunde. Zwar lässt sich der Roman auch ohne viel Hintergrundwissen lesen, dennoch hätte ich mir an der einen oder anderen Stelle nochmal eine kleine Einordnung gewünscht. Umgekehrt spiegelt diese Unwissenheit auch die Gefühlswelt von Ludovica wieder, die ebenfalls nur auf ihre Beobachtungsgabe zurückgreifen kann, als die Batterien für das Radio alle gehen.

Insgesamt ist Eine Allgemeine Theorie des Vergessens ein unheimlich atmosphärischer Roman, den man schnell weg lesen kann und der doch zum Nachdenken anregt. Der Schreibstil von José Eduardo Agualusa ist locker und doch pointiert und schafft so ein nachhaltiges Lesevergnügen.

EINE ALLGEMEINE THEORIE DES VERGESSENS

Eine Allgemeine Theorie des Vergessens
José Eduardo Agualusa

Übersetzt durch Michael Kegler
197 Seiten | Taschenbuch
ISBN: 978-3406713408
10€ (D) über Amazon [Affiliate Link]


Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.

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