Rezension
Zwischen den Welten – Von Macht und Ohnmacht im Iran
Werbung, da Rezensionsexemplar
Als ich als Quereinsteigerin 2007 in den Journalismus kam, hatte ich große Selbstzweifel. Eine Freundin erinnerte mich neulich daran. Sie erinnerte mich auch an meine Ziele: „Deine Idee war es von Anfang an, Leben und Menschlichkeit aus dem Iran in deinen Berichten zu transportieren, du sagtest: „Es gibt doch nicht nur das Mullah-Regime.““ Und sie fügte hinzu: „Und ich weiß noch, wie du mir erzählt hast, wie du in dem Hotelzimmer in Teheran vom Geheimdienst bedroht wurdest, und ich fragte dich: „Warum machst du trotzdem weiter?“ Und du hast geantwortet: „Weil ich den Menschen eine Stimme geben muss, die keine haben.““
Zwischen den Welten, Seite 249
Darum geht’s in Zwischen den Welten
Irgendwie scheint es mir, als hätten viele Menschen eine gewisse Faszination für den Iran. Ich frage mich, woher kommt diese? Hängt es mit unserem scheinbar paradoxen Bild des Iran zusammen, das irgendwo zwischen den Extremen gebildet wird? Oder weil in Deutschland Iraner*innen der zweiten und dritten Generation bei uns leben und zu Mitbürger*innen geworden sind? Vielleicht auch, weil der Iran immer wieder seinen Weg in unsere Nachrichten findet. Leider meist mit negativen Schlagzeilen. Was auch immer die Ursache sein mag, auch ich interessiere mich für das Land im Nahen Osten sehr und freue mich immer wieder, gute Einblicke in den Iran zu bekommen und wer könnte dafür besser sorgen als Natalie Amiri mit ihrem Buch „Zwischen den Welten“.
Natalie Amiri ist die Tochter einer Deutschen und eines Iraners und hat das wunderbare Privileg zwischen den Welten zu leben. Anders als andere Menschen, die nur als Reisende im Iran unterwegs sind und so die Perspektive des*der Fremden einnehmen, hat sie eine Insider-Outsider Rolle, die Einblicke abseits der Klischees und Vorhänge gewährleisten kann.
Denn häufig fühlt es sich für mich in Reiseberichten so an, dass die Iraner*innen zwar in einem sehr konservativen Umfeld leben, sobald die Haustür zufällt, aber ein ganz anderes Leben führen. Aber ist das die ganze Wahrheit? Welche Ängste, Sorgen und Hoffnungen die Menschen auch mit nach Hause nehmen, schildert Natalie Amiri in „Zwischen den Welten“. In ihrem Buch schildert sie ein ganzheitliches Bild der Gesellschaft und verknüpft gleichermaßen ihre Erfahrungen als Frau, die sowohl Deutschland als auch den Iran kennt und ebenfalls skizzieren kann, welche Erfahrungen ihr Vater in Deutschland gemacht hat. Dadurch ergibt sich ein wahrlich spannender Blick in zwei Welten, von denen uns vielleicht die eine vertrauter ist als die andere und sich doch so viele Parallelen entdecken lassen.
Natalie Amiri hat nicht nur im Iran gelebt, sondern dort auch in der deutschen Botschaft gearbeitet und als Korrespondentin für die ARD gearbeitet. Zum Zeitpunkt des Entstehens von „Zwischen den Welten“, musste sie allerdings ihre Position als Leitung des Teheran-Büros der ARD aufgeben, da es ernsthafte Bedenken für eine mögliche Geiselnahme hinsichtlich des Auswärtigen Amts gab.
Denn eines wird deutlich in „Zwischen den Welten“, Natalie Amiri ist mutig und neugierig und will sich nicht diktieren lassen, über was sie berichten darf und was nicht. So begibt sie sich ab und zu in für sie gefährliche Situation, um ein möglichst holistisches Bild des Irans zu zeigen.
Aus diesem Grund findet man in „Zwischen den Welten“ nicht nur historische und (geo)politische Exkurse, sondern lernt die Bewohner*innen des Irans besser kennen. Natalie Amiri begibt sich auf die Suche nach starken Frauen im Land, lässt sich die Frage beantworten, was Freiheit für Einzelne bedeutet oder was die ständige Bewachung und Gängelung in den Menschen auslöst.
Für mich war „Zwischen den Welten“ eine äußerst inspirierende Lektüre und ein Blick hinter den Vorhang aus Schlagzeilen und euphorischen Reiseberichten. Einmal mehr ist mir deutlich geworden, wie tief der Iran geopolitisch eingebettet ist in größere Konfliktlinien und welche Tragweite eigentlich das Atomabkommen hat. Darüber hinaus ist das Buch auch noch sehr gut geschrieben und man merkt, dass eine Kenner*in des Landes recherchiert hat. Aus diesen Gründen kann ich die Lektüre von „Zwischen den Welten“ nur empfehlen.
ZWISCHEN DEN WELTEN
Zwischen den Welten
Von Macht und Ohnmacht im Iran
Natalie Amiri
256 Seiten | Gebundene Ausgabe
ISBN: 978-3351038809
22€ (D) über Amazon [Affiliate Link]
Disclaimer: Dieses Buch wurde mir freundlicherweise vom Verlag zum Rezensieren zur Verfügung gestellt. Dafür erstmal ein herzliches Dankeschön. Wie immer gilt aber, das Geschriebene spiegelt meine eigene Meinung wieder. Sollte mir etwas nicht gefallen, sage ich das auch. Ansonsten suche ich mir selber aus, welches Buch ich rezensieren möchte. Das heißt du wirst auf Lieschenradieschen nur authentische Leseberichte finden, die meinen eigenen Interessen entsprechen.