Eine Reflektion über den europäischen Kontinent – Grand Hotel Europa von Ilja Leonard Pfeijffer

Cover des Buches Grand Hotel Europa von Ilja Leonard Pfeijffer

Rezension Grand Hotel Europa
Eine Reflektion über den europäischen Kontinent

Gut gesagt:

Vielleicht sollte ich es poetischer formulieren: Die Insel, die zur Hälfte fast aus Friedhof besteht, lebt, wenn sie überhaupt lebt, in der Vergangenheit. Zu verkaufen hat sie außer einer reichen Historie nicht, und so muss sie Menschen anlocken, die ihrer Vergangenheit wegen kommen, und Menschen zurückweisen, die einer Zukunft wegen kommen. Ob ich damit sagen will, dass die Insel eine Metapher für ganz Europa sei, überlasse ich dem Leser.

Grand Hotel Europa, Seite 170

Darum geht’s in Grand Hotel Europa

Der niederländische Schriftsteller Ilja bucht sich auf unbestimmte Zeit im Grand Hotel Europa ein. Hier, in der altehrwürdigen Kulisse des Grand Hotels, will er sich seinen Liebeskummer von der Seele schreiben. Seine Beziehung zu der Italienerin Clio war wild, turbulent und geprägt von Leidenschaft. Doch was hat sie kaputt gemacht? Was hat die zwei auseinandergetrieben?

Ilja geht nicht nur dieser Frage nach, sondern skizziert ein Europa im Wandel. Während er sich mit den Stammgästen im Grand Hotel Europa unterhält, übernimmt ein chinesischer Investor das Hotel und gestaltet es um. Dabei hat er eine genaue Vorstellung davon, wie ein authentisches Europa auszusehen hat, auch wenn dies vielleicht den Geschmack der Europäer*innen, wenn man sie als homogene Einheit zusammenfassen kann, nicht trifft.

Gleichermaßen widmet sich der Roman allerdings auch großen Themen, wie den geflüchteten Menschen, die all ihre Hoffnung in Europa setzen, den Massentourismus und schlussendlich auch Europas Fixierung auf das Altertümliche, welches erst die Tradition und Legitimation des Kontinents bilden soll.

Gefällt weil:

Grand Hotel Europa einen Sog entwickelt, dem man sich nur schwer entziehen kann. Durch die unterschiedlichen Ebenen des Romans ist man als Leser*in nicht nur an der Liebesgeschichte zwischen Clio und Ilja interessiert, sondern auch an den Stammgästen des Grand Hotels und den unterschiedlichen geografischen Stationen wie Venedig, Skopje und Malta. Nicht zuletzt findet in dem Roman auch eine (fiktive) Jagd nach den letzten Kunsthistorischen Geheimnissen des Kontinents statt.

Sehr atmosphärisch sind ebenfalls die Beschreibungen von Venedig, Skopje und all den anderen Schauplätzen des Romans. Sofort fühlt man sich wieder zurückversetzt zu den Barock anmutenden Gebäuden von Nordmazedoniens Hauptstadt oder zu den Kanälen der Lagunenstadt.

Dennoch springt der Funke nur bedingt auf mich über. Immer wieder packt mich das unbestimmte Gefühl, dem Autor wiedersprechen zu wollen. Auch wenn er wichtige Themen aufgreift, bei deren Betrachtung ich ihm zustimme, bleibt ein diffuses Gefühl, dass es doch zu kurz gedacht ist.

Die Geschichte um den Geflüchteten Abdul wirkt so plakativ und konstruiert, um wirklich Gefühle zu erzeugen und die Binarität zwischen dem Westen und “dem Rest” ist mir zu plump. Gleichermaßen bleibt die Frage, ob dies ein geschickter Schachzug des Autors ist, der auf Grund seiner Erfahrung und der bisherigen Auszeichnungen ein hervorragender Stilist zu scheinen ist, oder nicht.

Aus einer feministischen Perspektive heraus verstärkt sich allerdings der fade Beigeschmack. Die Sprache von Ilja Leonard Pfeifjjer ist zum Teil in meinen Augen so vulgär in Bezug auf Sexualität, dass sie droht ins sexistische, objektifizierende abzurutschen. Männern und Frauen werden Stereotype Eigenschaften zugeschrieben, die mir sauer aufstoßen. Die Männer in den Hauptrollen sind entweder sexistisch oder äußerst gebildet und klug. Die Frauen umgekehrt neidisch, sexuell aufgeladen und hysterisch.

Auch hier bleibt das Gefühl, dass der Autor in Grand Hotel Europa alles bewusst auf die Spitze getrieben hat. Für mich ist es allerdings ein Stück zu viel und trotz all der guten Überlegungen und Denkanstöße, habe ich mich an Grand Hotel Europa gerieben und einen faden Beigeschmack beibehalten.

Was bleibt ist definitiv die Frage, was ist Roman und wo finden sich autobiografische Anteile in Grand Hotel Europa?

GRAND HOTEL EUROPA

Grand Hotel Europa
Ilja Leonard Pfeijffer
Übersetzt durch Ira Wilhelm
560 Seiten | Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3492070119
25€ (D) über Amazon [Affiliate Link]

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